Vor Gesprächen mit CDU/CSU Laut SPD-Chef Schulz ist "keine Option vom Tisch"

Berlin · SPD-Chef Schulz schließt eine Zusammenarbeit mit der Union nicht mehr aus. Aber wie könnte diese aussehen? Minderheitsregierung oder große Koalition? Die SPD braucht wohl noch Zeit, sich mit der neuen Perspektive anzufreunden.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht mit Martin Schulz im Bundestag.

Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht mit Martin Schulz im Bundestag.

Foto: dpa, mkx pil

Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel hat der SPD faire Gespräche über eine Neuauflage der großen Koalition angeboten und zugleich Schwerpunkte einer künftigen Regierung benannt.

Wie die Sondierungen mit FDP und Grünen wolle ihre Partei die Gespräche mit den Sozialdemokraten "ernsthaft, engagiert, redlich" führen, sagte die Kanzlerin nach einer CDU-Vorstandssitzung am Montag in Berlin. Nach ersten Forderungen aus der SPD für eine künftige Steuer-, Sozial- und Gesundheitspolitik hob Merkel hervor, dass es Themen mit "größerer Dringlichkeit" als vor vier Jahren gebe.

Merkel nannte das "Auseinanderfallen der Lebenswirklichkeit", das viele Menschen befürchteten, die Wohnungsnot in Ballungsräumen sowie die Angst in dünn besiedelten Regionen, vom öffentlichen Personennahverkehr, der medizinischen Versorgung und Schulen abgeschnitten zu sein. Darauf werde eine neue Regierung in den nächsten vier Jahren Antworten geben müssen. Auch machten drängende europäische und internationale Fragen die Bildung einer stabilen Regierung nötig.

SPD-Chef Martin Schulz schloss eine Zusammenarbeit mit CDU und CSU nicht aus. Er sagte aber auch: "Keine Option ist vom Tisch." Nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierung gelten eine Neuauflage der großen Koalition sowie eine von der SPD tolerierte Minderheitsregierung als mögliche Alternativen zur Neuwahl. Inhaltliche Richtschnur wird laut Schulz das Wahlprogramm der Sozialdemokraten werden: "Unser Programm gilt. Jede unserer Forderungen ist berechtigt."

Um nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen einen Ausweg aus der politischen Hängepartie zu suchen, hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Montag eine neue Runde von Gesprächen mit Spitzenpolitikern anberaumt. Geplant waren Treffen mit den Fraktionschefs von Grünen, Union und Linkspartei.

Für Donnerstag hat Steinmeier Bundeskanzlerin Merkel, SPD-Chef Schulz und CSU-Chef Horst Seehofer ins Schloss Bellevue eingeladen. Laut Schulz wird dann das SPD-Präsidium am Freitag erneut zusammenkommen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Die angekündigte Befragung der SPD-Mitglieder wird es laut Schulz erst "am Ende des Prozesses" geben - etwa über einen möglichen Koalitionsvertrag.

Merkel machte deutlich, dass die Union bei Gesprächen mit der SPD über eine Neuauflage der großen Koalition natürlich von ihrem Wahlprogramm mit bestimmten "sehr bedeutsamen" Punkten ausgehe. Führende CDU-Politiker wollten die SPD bei Gesprächen nicht unter Zeitdruck setzen. Sie gehen daher davon aus, dass Verhandlungen frühestens im neuen Jahr beginnen können.

CDU-Vize Julia Klöckner sagte im ARD-"Morgenmagazin", Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit. Aber im neuen Jahr "sollte es überall grünes Licht geben, dass man über eine Koalition verhandelt". Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) warb dafür, die SPD nicht unter Zeitdruck zu setzen. "Aber dann brauchen wir schnell eine Regierung", sagte er in der "Bild"-Sendung "Die richtigen Fragen".

SPD-Vize Ralf Stegner warb seinerseits um mehr Zeit. Klar sei aber auch: "Wir können nicht bis Ostern warten", sagte er im ARD-"Morgenmagazin". Er bekräftigte, seine Partei werde nur mit der Union koalieren, wenn gewisse Bedingungen erfüllt würden.#

Die nordrhein-westfälische SPD formulierte Kernforderungen für Sondierungen. Dazu gehörten "eine paritätisch finanzierte Bürgerversicherung" und eine Rentenreform mit dem Ziel, das Rentenniveau zu sichern und perspektivisch auf rund 50 Prozent anzuheben, berichtete die "Süddeutsche Zeitung" (Montag) aus einem Brief an Schulz und Fraktionschefin Andrea Nahles.

Gefordert werde zudem eine Reform der Einkommensteuer, "die untere und mittlere Einkommen sowie Familien entlastet und zugleich aufkommensneutral ist". Mit einer "deutlich höheren" Besteuerung besonders hoher Vermögen solle ein Investitionsprogramm in zweistelliger Milliardenhöhe "für die Bereiche Bildung, Kommunen und Wohnen" finanziert werden.

CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn sagte im Deutschlandfunk, die CDU sei bereit zu Gesprächen mit der SPD. "Das heißt auch, dass niemand Forderungen aufbaut, die der andere nicht erfüllen kann. Wenn das nicht geht, muss man auch über andere Optionen reden."

Gegen die Forderung nach einer je zur Hälfte von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanzierte Bürgerversicherung im Gesundheitswesen liefen vor allem Ärzteverbände Sturm. Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Frank Ulrich Montgomery, erklärte: "Wer die Bürgerversicherung will, der startet den Turbolader in die Zwei-Klassen-Medizin. Noch gehört unser Gesundheitssystem zu den besten der Welt, mit freier Arztwahl und einer Medizin auf hohem Niveau."

Der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) wandte sich ebenfalls vehement gegen eine Bürgerversicherung. Der Vorsitzender des PKV-Verbandes, Uwe Laue, erklärte: "Deutschland hat wirklich wichtigere Probleme als eine willkürliche Radikalreform an unserem gut funktionierenden Gesundheitswesen."

(csr)
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