Interview mit Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann glaubt an NPD-Verbot

Berlin · Das Gezerre der Länder um ein neues NPD-Verbotsverfahren hat ein Ende. Die Innenminister der Länder sagten bei ihrem Treffen in Rostock-Warnemünde einmütig Ja zu einem neuen Anlauf. Die Ministerpräsidenten dürften sich der Empfehlung heute in Berlin anschließen.

Vom Bürgerschreck zum Bürgerlichen: Winfried Kretschmann
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Foto: ddp

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zeigte sich zuversichtlich, dass ein erneuter Antrag vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich sein wird. "Die Gründe dafür, warum das Bundesverfassungsgericht das Verfahren damals abgebrochen hatte, haben wir beseitigt. Insofern bin ich zuversichtlich, dass wir richtig damit liegen, einen erneuten Verbotsantrag zu stellen", sagte Kretschmann. "Wenn man die NSU-Morde betrachtet und sieht, was es da an Verbindungen gab, ist es höchste Zeit, dass ein Verbotsverfahren eingeleitet wird", argumentierte er. Deswegen unterstütze Baden-Württemberg den Antrag.

Erster Anlauf 2003 gescheitert

2003 war ein erster Anlauf für ein NPD-Verbot vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Der Grund: Auch in der Führungsebene der Partei waren Informanten des Verfassungsschutzes tätig. NPD-Chef Holger Apfel erklärte gestern selbstbewusst, die Verfassungsorgane würden sich mit ihrem Antrag wieder "eine blutige Nase holen".

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht weiterhin erhebliche Risiken. "Es ist ja gar kein Zweifel, dass wir den Rechtsextremismus in Deutschland bekämpfen wollen. Ich möchte nur, dass es aussichtsreich ist, wenn man ein solches NPD-Verbotsverfahren anstrebt."

Das Interview

Im Interview mit unserer Redaktion spricht der grüne baden-württembergische Ministerpräsident über das NPD-Verbot, Gorleben und seine Rolle im Bundesrat.

Warum wollen die Länder ein neues NPD-Verbotsverfahren wagen?

Kretschmann: Weil wir die NPD aufgrund des in den Ländern gesammelten Beweismaterials für eine verfassungswidrige Partei halten. Wenn man die NSU-Morde betrachtet und sieht, was es da an Verbindungen gab, ist es höchste Zeit, dass ein Verbotsverfahren eingeleitet wird. Deswegen unterstützen wir einen solchen Verbotsantrag.

Woher nehmen Sie die Zuversicht, dass der Verbotsantrag nun durchkommt?

Kretschmann: Die Gründe dafür, warum das Bundesverfassungsgericht das Verfahren damals abgebrochen hatte, haben wir beseitigt. Insofern bin ich zuversichtlich, dass wir richtig damit liegen, einen erneuten Verbotsantrag zu stellen.

Ist das belastende Material gegen die NPD frei vom Einfluss der V-Leute?

Kretschmann: Eine Voraussetzung für das Verbot ist, dass die V-Leute aus den Vorständen der Partei zurückgezogen sind. Das ist in Baden-Württemberg erfolgt.

Beim heutigen Treffen der Ministerpräsidenten ist auch die Energiewende Thema. Wollen die Länder etwas gegen die steigenden Strompreise unternehmen?

Kretschmann: Die Energiepreise sind auch vor der Energiewende gestiegen. Und jeder wusste, die Energiewende ist nicht zum Nulltarif zu machen. Wir werden die Energiewende nach drei Kriterien gestalten: Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltfreundlichkeit. Dafür werden die Strompreise moderat steigen. Mittelfristig werden sie wieder sinken.

Wie soll das funktionieren?

Kretschmann: In Zukunft werden keine Brennstoffkosten mehr anfallen. Endliche Ressourcen wie Öl und Gas werden auf Dauer knapp und dadurch teuer. Die Sonne stellt uns keine Rechnung. Auch aktuell ist die Lage verkraftbar: Die großen Stromverbraucher sind von den Umlagen ausgenommen. Es gibt sogar zu viele Ausnahmen, die wir wieder einschränken müssen. Dann wird es auch für die anderen Verbraucher wieder preiswerter. Grundsätzlich müssen wir den Preissteigerungen mit Effizienzstrategien begegnen. Wir müssen in Industrie, Gewerbe und Haushalt weniger Energie verbrauchen, dann fallen die moderaten Strompreiserhöhungen nicht wirklich ins Gewicht.

Für die kleinen und mittelständischen Unternehmen sind die aktuell hohen Strompreise schwer zu verkraften. Wollen Sie denen helfen?

Kretschmann: Wir müssen in erster Linie auf Effizienz gehen. Die Einsparpotenziale sind hoch und die Möglichkeiten für neue energiearme Produktlinien, die auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig sind, vielfältig.

Die Erkundung des Salzstocks Gorleben wird bis Ende des Jahres eingestellt. Ist Gorleben damit als möglicher Standort für ein Atommüll-Endlager aus dem Rennen?

Kretschmann: Diese Entscheidung ist erst einmal eine vertrauensbildende Maßnahme und macht den Weg frei für den Verhandlungsprozess für eine Endlagersuche. Es bleibt beim Konzept der weißen Landkarte. Das heißt, es wird nach rein wissenschaftlichen Kriterien ein Suchprozess in Gang gesetzt mit dem Ziel, den sichersten Standort zur Lagerung von radioaktivem Atommüll zu finden. Gorleben wird dabei so behandelt wie jede andere geologische Formation auch.

Sie sind der erste Bundesratspräsident der Grünen. Welche Zeichen möchten Sie in Ihrer Amtszeit setzen?

Kretschmann: Ich will vor allem für den Föderalismus werben und die Länder stärken. Dazu möchte ich den Bundesrat stärker in die Öffentlichkeit bringen und die Abläufe dort transparenter machen. Alle sollen wissen, welches Land wie entscheidet. Ein Schritt dafür ist schon getan: Auf den Bänken stehen jetzt die Namen der Länder, so dass jeder Fernsehzuschauer sehen kann, wer da sitzt.

Wie groß ist der Einfluss der Grünen in der Länderkammer?

Kretschmann: Die Grünen sind an fünf Landesregierungen beteiligt. In Baden-Württemberg stellen wir den Ministerpräsidenten. Der Einfluss ist so groß wie nie zuvor. Im Bundesrat geht es aber nicht um Parteipolitik. Der Bundesrat ist die Vertretung der Länder. Hier geht es um die Interessen der Länder, nicht um parteipolitische Manöver. Wir sind nicht dazu da, die Opposition im Bundestag oder die Regierung im Bundestag zu verstärken. Ich betreibe im Bundesrat keine Blockadepolitik.

Die SPD meint, eine schwarz-grüne Bundesregierung sei ausgeschlossen, weil diese Regierung immer gegen den Bundesrat regieren müsste, wo es keine schwarz-grünen Ländermehrheiten gibt. Ist das so?

Kretschmann: Das halte ich ehrlich gesagt für Blödsinn. Solche Erwägungen beschädigen das Ansehen des Bundesrates und der Politik. Wir sind da, um Probleme zu lösen und nicht, um uns gegenseitig zu blockieren.

Raten Sie Ihrer Partei, sich 2013 die Option einer schwarz-grünen Koalition offen zu halten?

Kretschmann: Wir gehen mit einer klaren Koalitionsaussage in den Wahlkampf. Wir wollen Schwarz-Gelb ablösen und mit den Sozialdemokraten zusammen regieren. Sollte der Wähler aber anders entscheiden, bin ich gegen eine Ausschließeritis in Koalitionsfragen. Auch Konstellationen, die man nicht mag, darf man nicht ausschließen, sonst führt man das Land in die Regierungsunfähigkeit.

Hat die Wahl von Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin zu Spitzenkandidaten der Partei gutgetan?

Kretschmann: Das hat der Partei zweifelsohne gutgetan. Grundsätzlich hat sich gezeigt, dass es angebracht sein kann, so zu verfahren. Wir müssen aber künftig nicht zwangsläufig immer eine Urabstimmung durchführen.

Hat die Parteibasis klüger entschieden, als man das erwartet hatte?

Kretschmann: Ohne jeden Zweifel.

Eva Quadbeck führte das Interview.

(qua)
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