Geburtenzahlen Familienpolitik zahlt sich aus

Meinung · Das ist eine uneingeschränkt gute Nachricht: Die Zahl der Geburten in Deutschland ist so hoch wie seit 15 Jahren nicht mehr.

Kommentar: Familienpolitik zahlt sich aus
Foto: dpa, Frank Leonhardt

Rund 738.000 Mädchen und Jungen kamen 2015 zur Welt, der Trend steigender Geburtenraten aus den vergangenen Jahren setzt sich damit fort. Gründe gibt es dafür gleich mehrere: Erstens gab es in den Jahren 1988 bis 1990 verhältnismäßig viele Geburten in Deutschland. Heute sind die damals geborenen Frauen im gebärfähigen Alter, es gibt insgesamt mehr Frauen zwischen 25 und 35 und damit mehr potentielle Mütter in der Bevölkerung. Zweitens ist die Kluft zwischen Kinderwunsch und tatsächlicher Kinderzahl nicht mehr so groß wie noch vor zehn bis 15 Jahren.

Frauen bekommen wieder mehr Kinder, die statistische Geburtenziffer stieg von 1,39 pro Frau im Jahr 2011 auf heute 1,48. Und das hat — drittens — mit sozioökonomischen Effekten zu tun. In Deutschland herrscht ein verhältnismäßig geringes Maß an Arbeitslosigkeit, vor allem unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die Jobperspektiven für Menschen mit höheren Schulabschlüssen sind gut. Studien attestierten jungen Erwachsenen zuletzt stets ein hohes Maß an Zuversicht und Optimismus, was die eigene Zukunft betrifft.

Zentrale Gründe für die steigende Geburtenrate dürften aber auch viele familienpolitische Maßnahmen der vergangenen Jahre sein. Was Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) einst noch als "Gedöns" abtat, entfaltet seine Wirkung nun zunehmend. Das Elterngeld etwa entlastet Familien finanziell, verschafft ihnen mehr Spielraum, um zugunsten der Familie vorübergehend auf Erwerbstätigkeit zu verzichten. Damit einher geht der Rechtsanspruch auf Elternzeit, die unbezahlte Freistellung vom Job. Auch der Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen war wichtig. Zwar könnte das noch deutlich schneller und besser vorangehen. In der jüngsten Vergangenheit sind aber schon viele neue Kapazitäten geschaffen worden. Das Zwischenfazit: Familienpolitik, die sich an den Kernbedürfnissen junger Eltern und deren Kinder orientiert, zahlt sich aus.

Doch so sehr die Freude über steigende Geburtenzahlen angebracht ist, dürfen die eklatanten demografischen Probleme nicht übersehen werden. So stieg im vergangenen Jahr auch die Zahl der Todesfälle in Deutschland deutlich an, um 6,5 Prozent auf 925.000 Menschen. Es starben also 188.000 Menschen mehr als geboren wurden. Dass sich auch dieser Trend fortsetzen wird, ist unter Demografieforschern unbestritten.

Die Alterspyramide steht Kopf, die Sozialsysteme geraten zunehmend unter Druck. Experten erwarten für die kommenden 20 Jahre die größte Last für die Renten- und Sozialkasse, weil immer weniger erwerbstätige Menschen für immer mehr Alte aufkommen müssen. Was also helfen kann, ist eine geregelte Zuwanderung qualifizierter Personen aus dem Ausland.

Und: Die drängende Aufgabe, Integration mit einem massiven Aufgebot an Bildungszugängen für die vielen nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge zu paaren, muss schnell und unbürokratisch gelöst werden. Analog zur Agenda-Politik unter Gerhard Schröder, die dafür sorgte, dass Deutschland in der Finanzkrise sturmsicher war, müssen jetzt die Weichen gestellt werden für Integration und geregelte Zuwanderung in den kommenden Jahren. Geschieht das nicht, geraten mittelfristig auch die derzeit guten Vorzeichen für mehr Kinder in Deutschland ins Wanken.

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