Kolumne: Total Digital Der Reim der Geschichte

Düsseldorf · Der digitale Wandel hat in den vergangenen Jahren großartige Innovationen ermöglicht, aber auch viele Probleme hervor- gerufen. Kommt nun die Zeit der Regulierung?

Kolumne: Total Digital: Der Reim der Geschichte
Foto: Krebs Andreas

Ich habe vor kurzem einen Vortrag von Paul Achleitner gehört. Der Aufsichtsratschef der Deutschen Bank verglich darin die aktuelle Gründer-Euphorie mit dem Hype um das Investmentbanking in den 1980er Jahren. Damals herrschte Goldgräberstimmung, alles schien möglich - und der finanzielle Gewinn war für viele gewaltig.

Die Folgen sind bekannt. Als 2007 die Immobilienblase in den USA platzte, stürzte die Weltwirtschaft ab. Die Aufarbeitung der Krise beschäftigt auch die Deutsche Bank bis heute und kostet sie Millionen.

Achleitner glaubt, dass es auch in Digitalfirmen ein böses Erwachen geben könnte. "Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich", sagte er. Heißt: Es kommt nicht exakt so, aber vielleicht so ähnlich: "Wenn Sie heute Dinge machen, denken Sie darüber nach, wie sie rüberkommen, wenn die Euphorie vorbei ist."

Vielleicht erleben wir gerade die Vorboten: Ein Gericht verpflichtete eine Mutter, von jedem Smartphone-Kontakt ihrer Tochter eine Einverständniserklärung zu holen, dass dessen Daten an den Mitteilungsdienst Whatsapp übermittelt werden dürfen. Denn in den Geschäftsbedingungen, die wohl 99 Prozent der Nutzer achtlos wegklicken, steht genau das: Whatsapp nutzt die Kontaktdaten und der Nutzer bestätigt, dass alle einverstanden sind.

Ist das jetzt allein die Schuld des Nutzers? Denn natürlich wissen die Unternehmen, dass niemand die Texte liest. Es lässt sich problemlos technisch ermitteln, dass die AGBs in Sekunden-Bruchteilen weggeklickt werden. Je mehr Cyberangriffe es gibt, desto wahrscheinlicher ist es, dass sensible Daten dort auftauchen, wo sie nicht hingehören. Online-Banking, Gesundheitsdaten, Bewegungsprofile, die Liste heikler Informationen ist lang - und damit das Maß des Erregungspotenzials der Öffentlichkeit hoch.

Auch die Milliarden-Strafe der Europäischen Union gegen den Suchmaschinenkonzern Google zeigt, dass die wilden Jahre für die Digitalkonzerne bald vorbei sein könnten. Angesichts der Übermacht von Facebook, Amazon, Google und Apple hat sich die EU offenbar dazu entschlossen, zum Schutz der heimischen Wirtschaft und Bürger die Regulierung auf einem der wichtigsten (freien) Märkte voranzutreiben. Weitere Verfahren laufen noch.

Kommt nun also das Zeitalter der Regulierung in Europa? Eine Phase, in der dort Grenzen gezogen werden, wo sie vorher überschritten wurden? Wenn ja, dann beginnt nun ein heikler Spagat zwischen klaren Regeln und genug Spielraum für Innovationen. Die Aufarbeitung der Finanzkrise macht wenig Hoffnung, dass davon am Ende tatsächlich alle Menschen profitieren werden.

Ihre Meinung? Schreiben Sie dem Autor unter kolumne@rheinische-post.de

(frin)
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