Kolumne: Total Digital Den Flop als Vorbild

Die Digitalisierung stellt Firmen vor Herausforderungen und bedroht Millionen Jobs in NRW. Trotzdem hat man nicht das Gefühl, dass Panik ausbricht. Dabei wäre es gut, sich Hochspringer Dick Fosbury zum Vorbild zu nehmen.

Kolumne: Total Digital: Den Flop als Vorbild
Foto: Krebs

Kennen Sie noch Dick Fosbury? Ich habe gelesen, er sei nur ein mittelmäßiger Athlet gewesen. Trotzdem gewann er 1968 bei den Olympischen Spielen in Mexiko die Goldmedaille im Hochsprung. Während seine Konkurrenten sich mit dem Gesicht Richtung Matte über die Latte wälzte, sprang Fosbury rückwärts mit dem Kopf voran - und revolutionierte mit dieser später als "Fosbury-Flop" bekannten Technik den Hochsprung. Heute springen alle Athleten so ähnlich wie Fosbury.

Viele Start-ups sind genau wie Dick Fosbury: Würden sie sich mit den Traditionsunternehmen messen und dabei die gleichen Techniken anwenden wie sie, hätten sie im Duell kaum keine Chance. Also wählen diese jungen Unternehmen einen völlig anderen Ansatz, überraschen damit die Konkurrenz - und sind ihr so oft weit überlegen. Tradition schützt nicht vor Disruption.

Auf der Hannover Messe, der weltgrößten Industrieschau, konnte ich zuletzt sehen, dass viele Unternehmen Angst davor haben, dass ihr Geschäft disruptiert, also vollständig abgelöst, wird. Sie perfektionieren deshalb nicht nur ihre Technik, sondern halten auch Ausschau nach dem nächsten digitalen Fosbury.

Leider habe ich das Gefühl, dass dies für viele kleinere und mittlere Unternehmen in NRW noch nicht gilt. Sie setzen weiter auf ihre alten Techniken. Das Problem ist jedoch: Was ist, wenn sich ihr Geschäft plötzlich so radikal verändert wie die Technik im Hochsprung?

Wenn Denk- und Arbeitsweisen über Jahrzehnte eingeübt werden, die ganze Firmenkultur sich anpasst und radikale Umbrüche gescheut werden, wird es schwer zu reagieren, wenn die Herausforderung da ist.

Denkt man dieses Szenario weiter, ist das auch eine Gefahr für NRW. Radikale Umbrüche kann es ja plötzlich in vielen Branchen geben. Damit wäre auch NRW massiv betroffen, denn es ist ja nicht gesagt, dass die Nachfolger der betroffenen Firmen hier entstehen. Jobs und Wirtschaftskraft stehen auf dem Spiel.

Leider habe ich nicht das Gefühl, dass wir unseren Nachwuchs darauf vorbereiten, der nächste Fosbury zu sein. Eine aktuelle Studie zeigt, dass Unternehmertum in Schulbüchern kaum eine Rolle spielt. Im Wahlkampf spielt die Digitalisierung kaum eine Rolle. Fosburys Trainer gab angeblich irgendwann auf, ihm die klassischen Techniken beizubringen. Negativ ausgedrückt, gab er ihn auf. Positiv ausgedrückt, bestärkte er ihn zu experimentieren. Es wäre schön, wenn es Letzteres gewesen wäre - und noch schöner, wenn wir uns diesen Weg hier im Land zu Herzen nehmen würden.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(frin)
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