Kolumne: Mit Verlaub! Unser schönes Deutschland

Vereinigte Staaten von Europa? Leider nur ein Märchen. Ein in der Welt beneidetes Deutschland? Das ist Realität. Allein, wir Deutsche neigen dazu, unser Land nicht so zu schätzen, wie es viele Fremde tun.

Das Rheinland ist unsere Heimat; Deutschland unser Vaterland; Europa unsere Zukunft. Denken Sie einmal über diesen Dreisatz nach, der sich auf einen von Franz Josef Strauß auf Bayern bezogenen Ausspruch bezieht, und fragen Sie sich dann, ob er Sie persönlich überzeugt. Mit Teil eins werden wahrscheinlich die meisten übereinstimmen, mit Teil drei wohl viele Probleme haben. Wer sich den Zustand Europas anschaut, den werden Zweifel beschleichen, ob das Konstrukt EU Bestand hat und vor allem, ob es unter den Europäern verlässlich politische Zukunftshoffnungen beflügelt. Je mehr man in dieser verwirrenden Zeit zwischen Euro-Krisenmanagement und nicht gelingender Flüchtlings-Verteilung den "Club der 28" mit überwiegend national ausgerichteten Clubmitgliedern betrachtet, desto mehr scheint es im günstigsten Fall auf das von Charles de Gaulle proklamierte Modell "Europa der Vaterländer" hinauszulaufen. Ich ließe mich gerne vom Gegenteil überzeugen, aber: Auf die Vereinigten Staaten von Europa zu setzen, hieße, die in Kürze wieder aktuelle Kleinkindgeschichte vom Eier liefernden Osterhasen für wahr zu halten. Das Modell "Europa der Vaterländer" bedingt mehr oder weniger funktionierende Nationalstaaten, wie sie sich mal früher wie in Frankreich oder Britannien oder später wie in Deutschland oder Italien herausgebildet haben.

Wie steht es also um unsere Nation und die Gefühle der Deutschen zu ihr? Neulich hat der protokollarisch zweitwichtigste Mensch im Staat, Bundestagspräsident Norbert Lammert, im pfälzischen Deidesheim auf eine deutsche Merkwürdigkeit aufmerksam gemacht: Lammert berichtete von einer Befragung von 16.000 Bürgern in 60 Ländern. Das Resultat war, dass unser Land als das erfolgreichste eingestuft wurde. Das Merkwürdige: Die befragten Deutschen sahen sich auf einem virtuellen Glücksatlas auf einem weit hinten liegenden Platz, zwischen Senegal und Sambia.

Daraus mag sich nicht nur, aber auch die beschämende neudeutsche Lust an Wahlabstinenz erklären. Zu viele empfinden zu vieles misslungen in diesem schönen, gut organisierten Land, in dem so viele Fremde lieber heute als morgen leben möchten. Wer wollte im Ernst dem Parlamentspräsidenten Lammert widersprechen, wenn er sagt: "Die meisten Staatsleute und Parlamentarier, die ich in Berlin treffe, würden nicht zögern, die Probleme in ihren Ländern gegen unsere zu tauschen."

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(RP)
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