Mit Verlaub! Strafen für Schüler sollen auf dem Fuße folgen

Streiche gehören zum Schulalltag. Doch "Feuerzangenbowle"-Romantik wird mancherorts von Verachtung und Aggressivität gegen Lehrer verdrängt.

Mit Verlaub!: Strafen für Schüler sollen auf dem Fuße folgen
Foto: Michels

Was für Schlingel", schrieb mein Vater damals ins Tagebuch. Er hatte von unserem Schülerulk auf Kosten zweier Lehrer erfahren. Dem einen hatten wir heimlich ein vom nahen Sportplatz stammendes Fußballtor vor die Haustür gestellt. Dem anderem hatten wir nachts dutzendweise kleine Aufkleber mit allerlei frechen Sprüchen auf die Glasbausteine seines Bungalows geklebt. Die Pädagogen waren nicht entzückt, aber humorlos auch nicht, "Feuerzangenbowle"-Typen eben. Das Fußballtor mussten wir Ertappten - jemand hatte uns verpfiffen - wieder dorthin schleppen, wo es hingehörte, und eine große reumütige Entschuldigung beim kurzfristig ausgesperrten Oberstudiendirektor war Pflicht.

Der andere Lehrer war nachts wach geworden und hatte uns auf frischer Tat entdeckt. Als FDP-Ratsherr war er zwar liberal, aber nicht blöd. Er überließ uns grinsend ein paar Eimer mit heißem Wasser und dazu eine Bürste: "Das ist bis morgen sauber, damit das klar ist." Die Sanktionsidee war konsequent und kostete uns stundenlanges Schrubben der beklebten Glasbausteine bis zum Morgengrauen.

Warum erzähle ich die alte Geschichte? Weil ich vor wenigen Tagen entgeistert diese Überschrift über einen außer Kontrolle geratenen Schulalltag im Saarland gelesen habe: "Schüler terrorisieren Lehrer an Gemeinschaftsschule." Frauenverachtende Beleidigungen, die man hier nicht zitieren mag, Körperverletzungen und andere Aggressionen gegen Erzieher, die längst das Erziehen aufgegeben haben, sind an einer Saarbrücker Brennpunkt-Schule alltäglich. Sanktionen? Fehlanzeige. Im Gegenteil: Die Lehrerschaft hat Angst vor ihren Schülern, die Drohungen ausstoßen und Lernen wohl als Zumutung empfinden. Die Lehrer schrieben dramatisch klingende Briefe an die politische Führung in Saarbrücken. Es gibt seither vier zusätzliche Lehrkräfte, mehr Sprachförderung und einen Aufnahmestopp für Flüchtlingskinder. Laut Deutschem Lehrerverband haben Hunderte von insgesamt 40.000 Schulen im Land ähnlich massive Probleme wie die erwähnte Chaosanstalt.

Man hört gebetsmühlenartig, unsere Schulen seien "verrottet", als regne es durch Dächer und ziehe es durch Fenster und als gehöre endlich Mobiliar vom letzten Schrei in die Klassenzimmer, auf dass die lieben Kleinen es hübsch und kommod haben. Sollte nicht gründlicher darüber nachgedacht werden, wie die geistige Verrottung bekämpft werden kann und wie endlich an den Schulen wieder die Strafe jeder Untat auf dem Fuße folgt?

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