Kolumne: Mit Verlaub! Lehrer und aggressive Weichlinge

Meinung | Düsseldorf · Der Fall eines Pädagogen, der seine Klasse nachsitzen ließ und deshalb vor Gericht gezerrt wurde, zeigt: Es herrscht in Schule, Elternhaus und Rechtsstaat oft zu wenig praktische Vernunft.

 Nicht alles, was Lehrer manchmal tun sollten, ist auch erlaubt, kommentiert unser Autor.

Nicht alles, was Lehrer manchmal tun sollten, ist auch erlaubt, kommentiert unser Autor.

Foto: dpa, msc pzi dna

Es ist an der Zeit, wieder einmal für alle Lehrer Partei zu ergreifen, besonders für solche wie den Realschullehrer Philipp Parusel vom Niederrhein, der bundesweit für Schlagzeilen über Abstrusitäten aus dem deutschen Schul- und Gerichtsalltag sorgt.

Der Musiklehrer tat, was man als Lehrer gegen flegelhafte Schüler tun sollte, aber in unserem manchmal die Regeln praktischer Vernunft missachtendem Rechtsstaat nicht einfach tun darf: Parusel gab seiner über die Stränge schlagenden Klasse eine Strafarbeit inklusive Nachsitzen über das Ende der Unterrichtsstunde hinaus. Um seiner disziplinarischen Maßnahme Nachdruck zu verleihen, setzte sich der Lehrer vor die Tür, damit niemand ohne fertigen Text entschlüpfen konnte.

Einen, der dennoch zum Ausgang drängte, soll der Pädagoge mit einem Armstoß zur Ordnung gerufen haben. Mit Verlaub, der Bengel hätte 30 Minuten Extra-Nachsitzen verdient gehabt. Der Pädagoge Philipp Parusel, der dem frühen Mick Jagger ähnelt, allerdings eher den Charakter einer sensiblen Seele ohne den Jagger'schen Hauch von Sex, Drugs and Rock'n'Roll verströmt, muss in Kürze zum zweiten Prozesstag vor dem Amtsgericht Neuss erscheinen. Der Anklagevorwurf lautet: Verdacht auf Freiheitsberaubung und Körperverletzung.

Es gibt kuriose Menschen, die das begrüßen. Und es gibt Menschen - vom Schüler- bis ins Rentenalter -, die je nach Gemütslage den Kopf schütteln oder zornig registrieren, welchen Schüler- und Elternlaunen Lehrer heute ausgesetzt sind und mit welchen Lächerlichkeiten Gerichte behelligt werden.

Mir fällt die Erzählung eines Hauptschullehrers ein, der einen Flegel aus der letzten Bank zur Rede stellte, und dem daraufhin vom Schüler mit der Federmappe ins Gesicht geschlagen wurde. Es kam zu einer Schulkonferenz. Lachhaft. Immerhin erschien am Tag darauf der Vater des Schülers - nicht, um sich für seinen Filius zu entschuldigen, vielmehr, um dem geschlagenen Lehrer zu sagen, er habe seine Klasse nicht im Griff.

Dieser und der Fall des vor Gericht gezerrten Philipp Parusel zeigen, was wünschenswert wäre: ein neuer gesellschaftlicher Konsens darüber, dass Lehrer grundsätzlich mehr Respekt verdienen und wieder kräftige disziplinarische Möglichkeiten bekommen müssen für ihre immer wichtiger werdende Arbeit. Einige Schüler werden von ihren erziehungsunwilligen Erziehungsberechtigten zu aggressiven Weichlingen verformt, die ihre Rechte auswendig kennen, aber bei den Pflichten von Haus aus lernunwillig sind.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de.

(mc)
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