Kolumne: Mit Verlaub! Merz, der Euro und wie weiter

Fragen über Fragen: Bleibt Friedrich Merz für Bürgerlich-Konservative bloß "Kanzler der Herzen"? Macht der Euro die EU kaputt? Europa huldigen oder es neu denken?

Neulich stimmten mich diese Sätze nachdenklich: Die Sakralisierung des Gewesenen sei immer auch ein Zeichen dafür, dass die Vitalität einer Epoche abnehme. Und: Wer nur erhalten wolle, sei schon am Ende. Wem fiele hierzu nicht die EU ein? Ins Werk gesetzt und gefeiert als Jahrhundertprojekt für Frieden, Verständigung und Wohlstand. Zwar schlichen sich bereits in die Krönungsmessen des großen Völkerfestes (Verträge von Maastricht und Lissabon) bange Fragen nach Risiken und Nebenwirkungen ein. Aber die politischen Eliten hatten triftige Gründe, das Hohelied von der notwendigen Vertiefung der Integration anzustimmen. In Deutschland sangen viele mit.

Vor Kurzem bekannte Friedrich Merz, Christdemokrat und überzeugter Europäer, er habe sich bei seinem Ja im Bundestag zur Währungsunion geirrt. Der fehlkonstruierte Euro spalte die Völker der EU, anstatt sie zueinanderzubringen. Es ist eine niederschmetternde Erkenntnis, dass der Euro womöglich zusammenschnürt, was nicht zusammenpasst. Merz, in der Rosamunde-Pilcher-Welt von Bürgerlich-Konservativen so etwas wie der "Kanzler der Herzen", kann leicht Selbstkritik wagen. Denn er wirft den "Ball" nur gelegentlich vom Seitenaus aufs politische Spielfeld; er nannte das im bemerkenswerten Dialog mit Michael Hirz vom Sender Phoenix seine Art, politische Verantwortung wahrzunehmen. Es stimmt traurig, wenn ein hochbegabter politischer Kommunikator weitgehend in der Deckung bleibt und es den untauglichen Versuchen geringerer Talente überlässt, mit ihren rhetorisch bescheidenen Mitteln die Kluft zwischen Regierenden und Regierten zu schmälern.

Kaum ist innerhalb der Eurozonen-Länder die Ansteckungsgefahr durch griechische Keime geringer geworden - gebändigt war sie nie -, fahren vor Italiens Banken Rettungswagen mit Blaulicht auf. Das wiederum ist nicht nur, aber auch Folge des grob fahrlässigen Brexit- Votums der Briten, das von den beiden privilegierten Oxford-Boys David Cameron und Boris Johnson möglich gemacht wurde.

Wenn Europa von einer Krise in die nächste schlittert, wenn in EU- Südländern bis zu 50 Prozent der jungen Menschen arbeitslos sind, wenn an der Brüsseler Kommissionsspitze und anderswo ausgebrannte Oldies europäische Treueschwüre ablegen und zugleich Krisengewinnler aus den Büschen kommen - ja, dann herrschen Tristesse und manchmal Endzeitstimmung.

Zurück zu den Anfangssätzen: Wer jetzt nur erhalten will, was ist, der tut politisch zu wenig. Wer dem, was war und europapolitisch geschaffen wurde, huldigt, wird dem Gewesenen, aber nicht der Zukunft gerecht.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinsiche-post.de

(RP)
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