Kolumne: Mit Verlaub! Rückkehrrecht für Guttenberg

Meinung | Düsseldorf · Fünf Jahre nach dem schmachvollen Abtritt als Dissertations-Schwindler sollte man dem CSU-Baron eine zweite Chance geben. So wie einst den Grünen Joschka Fischer oder Cem Özdemir.

Meinung: Rückkehrrecht für Karl-Theodor zu Guttenberg
Foto: Michels

Mit gemischten Gefühlen erinnert man sich an Karl-Theodor zu Guttenberg, den gefallenen Engel, dem vor einem halben Jahrzehnt selbst der sonst alles und jeden kühl demaskierende "Spiegel" bunte Blumen auf den Weg ins Kanzleramt gestreut hatte.

Nachdem Guttenberg wegen seiner weitgehend abgeschriebenen Doktorarbeit am 1. März 2011 als Verteidigungsminister zurückgetreten war, hatten es alle "Blumenkinder" natürlich gewusst: Der Mann sei eben ein Blender, ein adeliger Nichtsnutz, nicht nur im akademischen, sondern auch im politischen Betrieb.

Wie meistens liegt die Wahrheit auch hier in der Mitte. Natürlich hat Guttenberg die Regeln für wissenschaftliches Arbeiten grob verletzt; und gewiss sprach seine übrigens zwei Betreuern nicht aufgefallene Schludrigkeit jenen bürgerlichen Sitten Hohn, denen sich hoffentlich auch Barone verpflichtet fühlen.

Guttenberg gilt als seltenes Talent

Andererseits galt und gilt Guttenberg in seiner CSU als eines jener raren politischen Talente, die mit Witz, Verstand und außerordentlicher Begabung zur öffentlichen Rede Menschen für eine liberal- konservative Politik gewinnen können. Es war nicht alles bloße Verpackung, was er als Bundesminister für Wirtschaft und für Verteidigung zuwege gebracht hat. Und, mit Verlaub, dies an die Adresse der Abgeordneten, die nie auf anderem Weg als über die Landeslisten-Rutsche in die Parlamente geplumpst sind: Guttenberg hat seinen Wahlkreis direkt erobert, einmal sogar mit dem bundesweit besten Erststimmen- Resultat.

Angebliche, bei einem Filou wie Horst Seehofer stets berechnend vorgebrachte Wünsche, Guttenberg möge seinem US-Exil entsagen und wieder an vorderster Front in der CSU mitkämpfen, verhallen deshalb nicht einfach im politischen Raum. Sie inspirieren und regen zum Nachdenken über die zweite Chance affärenbelasteter Politiker an.

Auch andere bekamen eine zweite Chance

Ich meine, wenn ein Joschka Fischer, der sich einst beim Linksradikalen- Mob als Steinewerfer und Polizistenprügler einen Ruf erworben hatte, dennoch Bundesminister des Auswärtigen und Vizekanzler werden konnte; oder wenn der resozialisierte Abgeordnete Cem Özdemir einst dienstlich erworbene Flugboni mehrmals regelwidrig privat genutzt hat, dann braucht sich auch ein reumütiger Dissertationsschwindler nicht auf ewig ein "Kreuziget ihn" anzuhören.

Anders als Fischer, der Körperverletzungen beging, oder Özdemir, der die Steuerkasse belastete, hat Guttenberg sich bloß selbst geschadet. Wenn er zurückkehren will, sollte man ihm zwar politisch keine Blumen streuen, ihn aber auch nicht mit Steinen bewerfen.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(mc)
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