Kolumne: Mit Verlaub! Strömungsabriss im Landeanflug

Düsseldorf · Es sieht danach aus, als habe Angela Merkels Herausforderer Martin Schulz eine Luftnummer hingelegt. Der Wind unter den Flügeln kann jedoch zurückkommen.

 Reinhold Michels

Reinhold Michels

Foto: Michels

Da Martin Schulz als der dritte SPD-Herausforderer von Bundeskanzlerin Angela Merkel von Woche zu Woche Wind unter den Flügeln verliert, befürchten manche Fans des Mannes aus Würselen schon einen in der Fliegerei gefürchteten Strömungsabriss. Der ist immer gefährlich, besonders natürlich auch bei politischen Landeanflügen auf Landtags- und Bundestagswahltage.

Schulz habe "sein Momentum" eingebüßt, schrieb Gabor Steingart im "Handelsblatt" nach der zweiten Schlappe der Schulz-Kampagne in Schleswig-Holstein im Anschluss an die März-Pleite im Saarland. Die Kampagne macht tatsächlich immer mehr den Eindruck einer Luftnummer eines Akrobaten, der bereits beim Aufstieg in die hohe Berliner Zirkuskuppel zurück ins Netz plumpst. So wenig wie die Weltgeschichte ein Amtsgericht ist, so wenig sind das Rathaus von Würselen und der bequeme Polsterstuhl im Straßburger Parlament automatische Transportbänder hin zu verantwortlichen Aufgaben in der großen Politik.

Ein in Politik und Wirtschaft gleichermaßen erfahrener Gast des renommierten Düsseldorfer Ständehaus-Treffs resümierte nach dem jüngsten Podiums-Auftritt von Schulz dort, diesen Herausforderer brauche Merkel nun wirklich nicht zu fürchten. Wenn das so weitergeht, scheint für die CDU die größte Gefahr darin zu bestehen, den Herausforderer zu unterschätzen nach dem Motto: gewogen und für zu leicht befunden. Schon hört man aus Unionskreisen hochmütige Bemerkungen wie diese: Außer Bürgermeisterwahlen in Würselen habe der Mann mit Bart, Brille und Arbeiterwohlfahrt-Horizont ja noch nie eine Wahl gewonnen.

Merkel selbst mag die Verkörperung der Volksweisheit sein, wonach Vorsicht die Mutter der Porzellankiste ist, aber ihre euphoriedämpfenden Bemerkungen am Tag nach dem Sieg in Kiel gaben einen Hinweis auf die Sorge der Kanzlerin, auf die anfangs irrationale Angst vor dem sogenannten Schulz-Effekt könne bei Unions-Anhängern eine ebenso irrationale Partylaune weit vor getaner Arbeit folgen. Für Schulz könnte zwar bei einer fälligen Rückschau im Herbst ein berühmter Filmtitel von 1951 ("Sie tanzte nur einen Sommer") in "Er tanzte nur einen Winter" geändert werden; aber die politischen Winde drehen sich überall derart schnell, dass der angeschlagen wirkende Merkel-Herausforderer auch plötzlich wieder in Schwung kommen kann.

So wie Hochmut vor dem Fall kommt, gibt es im politischen Leben unzählige Beispiele dafür, dass man es mit Fleiß, Forschheit und Fortüne selbst aus dem Gummiboot auf die Schiffsbrücke schaffen kann.

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(RP)
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