Kolumne: Mit Verlaub! Akademisches Rouge in der SPD

Die Lebenslauf-Fälscherin Petra Hinz steht für den Niedergang der einstigen Arbeiterpartei, die nicht mehr genau weiß, für wen sie da ist.

Kolumne - Akademisches Rouge in der SPD
Foto: Michels

Vor drei Jahren feierte die SPD ihren 150. Gründungstag. Der erste Name der ältesten deutschen Partei verwies auf deren Grundausrichtung: Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein. 2013 schrieb die linke "Frankfurter Rundschau" über die Jubilarin: Einst sei sie eine Arbeiterpartei gewesen, heute wisse sie nicht mehr genau, für wen sie da sei. Genossinnen und Genossen, da ist Wahres dran. Die CDU mag politisch-inhaltlich entkernt wirken, die SPD jedoch hat ihre Seele verloren.

Der Fall der Essener SPD-Bundestagsabgeordneten Petra Hinz wirft ein Schlaglicht auf eine ehemalige Arbeiterpartei, in der es offenbar hilfreich ist, seinen Lebenslauf akademisch zu schminken. Abitur- und Staatsexamen-Rouge macht sich in der SPD besser als das klassische Rot einer stolzen Arbeitertochter mit passendem Bewusstsein. Zugespitzt kann man behaupten, dass es in vielen SPD-Ortsvereinen und sonstigen Parteigremien der Karriere nützt, wenn man "Gleichstellungsbeauftragte im Gartenamt Freiburg, die auch schon einmal grün gewählt hat" in den Lebenslauf schreibt, statt sich als "Schuhmachermeisterin aus Herner Sozi-Elternhaus" zu outen.

Man schaue sich die SPD-Kabinettsmitglieder im Bund und in den Ländern an. Handwerker und Facharbeiter sind dort so rar wie bekennende Atheisten in der CSU Altötting. Der Bundesvorsitzende der SPD war Lehrer, Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hat Germanistik und Politik studiert, SPD- Fraktionschef Thomas Oppermann ist anders als Petra Hinz tatsächlich Volljurist. SPD-Länderchefs versprühen ebenfalls Akademie-Düfte nebst dem Eindruck geistig-politischer Fremdelei mit wackeren Alt-Sozis, die, wenn überhaupt, für mehr Straßenbau auf die Straße gingen und nicht gegen die Überfischung der Weltmeere oder das Bienen-Sterben. Der Niedergang der SPD begann, als zu viele 68er, die ihre studentische Spätpubertät für einen Teil der Weltgeschichte halten, unter die Decke der SPD schlüpften und den Arbeitern die Laken wegziehen durften.

Petra Hinz, die glaubte, erst mit Abitur und Hochschulabschluss beginne das wahre Leben, ist eine gar nicht so untypische Sozialdemokratin der neuen Schule. So wie sie denken seit den goldenen 70er Jahren der SPD, als die Arbeiterkinder in Massen an Unis strömten, viele Deutsche.

Vorbei sind die SPD-Zeiten, als ein Betonfacharbeiter wie Holger Börner, ein Maurer wie Georg "Schorsch" Leber, ein Bergmann wie Walter Ahrend oder ein Elektriker wie Kurt Beck es mit Ehrgeiz und Tüchtigkeit in hohe Staatsämter schafften.

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(mc)
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