Kolumne: Mit Verlaub! Der plötzlich junge Hass auf Alte

Düsseldorf · Pauschalbeleidigungen angeblich unverantwortlich handelnder Senioren grassieren und werden salonfähig. Das ist peinlich, dumm und respektlos.

Kolumne: Mit Verlaub!: Der plötzlich junge Hass auf Alte
Foto: Michels

Ehret die Alten, bevor sie erkalten." Geschieht nicht gegenwärtig das Gegenteil dessen, worauf die Mahnung zielt, mit der Stuttgarts Oberbürgermeister-Legende Manfred Rommel einst die Gratulanten zu seinem 80. Geburtstag zum Schmunzeln brachte?

Die Alten scheinen der neue Feind vieler Nachwachsender zu werden. Die hanebüchene Brexit- Entscheidung zu vieler Engländer und Waliser hat auch auf dem europäischen Kontinent jenes Fass zum Überlaufen gebracht, in dem schon seit geraumer Zeit der trübe Sud eines neuen Anti-Senioren-Rassismus schwappt. Seit Längerem grassieren nachgeplapperte Pauschalbeleidigungen gegen "die alten weißen Männer", welche angeblich der Kern fast jeden Übels sind, das auf der Erde angerichtet wurde.

Die Digitalausgabe der "FAZ" überschrieb neulich einen Artikel mit "Die Greisenfresser kommen". Der Autor kam zu dem Schluss, dass sich nach dem Ausgang des Referendums in Britannien auch und gerade in intellektuellen Kreisen ein Diskussionsstil zeige, in dem unreflektierter Hass auf vermeintlich unverantwortlich handelnde Alte hoffähig werde. Sogar vor dem Tod machen moralisch anstößige Affekte nicht halt. Nachdem im Mai der bedeutende deutsch-amerikanische Historiker Fritz Stern im Alter von 90 Jahren verstorben war, genierte sich eine jüngere Historikerin nicht, Stern posthum und seine Generation generell verbal zu steinigen: "Die alten, weißen Männer sterben. Jetzt können wir die Geschichte revolutionieren." Peinlich klang das, ungebildet und respektlos obendrein.

Eine französische Journalistin, die für die im Zweifel linke "Le Monde" berichtet und sich als "Gérontophage" (Greisenfresserin) bezeichnet, twitterte, beim Wahlrecht für Alte sei es wie mit dem Führerschein: von einem gewissen Alter an sollte man es ihnen entziehen. In einem jungen Angebot von "Spiegel Online" hetzte jemand gegen "die Generation Rollator", die Europa kaputtmache. In der überwiegend vornehm auftretenden "Zeit" war gar nicht vornehm von einer "Alte- Säcke-Politik" zu lesen, welche die Agenda diktierte.

Gut, dass ein Politiker wie Jens Spahn, der junge Finanzstaatssekretär beim alten Wolfgang Schäuble, nicht auf der schamlosen Modewelle surft und etwa Senioren das Wahlrecht beschneiden will, er stattdessen an einen guten alten politischen Bekannten erinnert: das Familienwahlrecht. Danach bekämen Eltern pro minderjährigem Kind bei Wahlen eine zusätzliche Stimme. So generationengerecht wie Christdemokrat Jens Spahn denkt auch Sozialdemokratin und Familienministerin Manuela Schwesig.

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(mc)
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