Kolumne: Mit Verlaub! Ansteckende Krankheit Koalitionitis

Düsseldorf · Uns werden die Haare zu Berge stehen, wenn am Montag das Feilschen um Koalitionen beginnt. Es gäbe eine Arznei dagegen: das Mehrheitswahlrecht.

Kolumne: Mit Verlaub!: Ansteckende Krankheit Koalitionitis
Foto: Michels

In zwei Tagen wissen wir, was bereits seit geraumer Zeit die Spatzen von den Dächern pfeifen: Der neue Bundestag wird bunter werden. Ob das ausgerechnet jenen Freundinnen und Freunden aus der politischen Villa Kunterbunt gefallen und nutzen wird, die sich Deutschland außerhalb der Parlamente nur als bunte Republik vorstellen können, bleibt neugierig und schmunzelnd abzuwarten. Was sich dagegen weder abzeichnet, noch was wir am Sonntagabend wissen werden, ist, welche Koalitionsregierung sich zusammenfinden wird.

Da möchte man ausrufen: Bayern, was bist du für ein glückliches Land! Leidest nicht an der lästigen ansteckenden Krankheit Koalitionitis. Dabei gäbe es neben einem klaren Wählervotum für eine starke, politisch schlagkräftige Regierung, der von einer starken, politisch schlagkräftigen Opposition im Bundestag die Leviten gelesen werden, eine außerhalb Deutschlands bewährte Arznei: die Änderung unseres reformbedürftigen Wahlrechts (personalisiertes Verhältniswahlrecht heißt der kuriose Mix) durch Einführung des Mehrheitswahlrechts nach französischem, britischem, US-amerikanischem Muster.

Unter einem Mehrheitswahlrecht bilden sich nur in Ausnahmefällen Koalitionen, von deren politischer Zwei- oder Mehrdeutigkeit bereits ihre jeweiligen Geburtsurkunden, sprich Koalitionsverträge, künden. Im Idealfall führte ein Mehrheitswahlrecht dazu, dass Deutschland eine Mitte-rechts-Regierung sowie eine Mitte-links-Opposition, oder umgekehrt, erhielte.

Dem leider geschwächten Ansehen des Bundestages täte es gut, wenn darin nur solche Abgeordnete Sitz und Stimme hätten, die in ihren Wahlkreisen direkt von einer Mehrheit der Wähler auf Platz eins gewählt wurden und nicht zur Hälfte über Landeslisten der Parteien ins Parlament plumpsen.

Mehrheit ist Mehrheit — dieser oft verwendete, schlichte Befund mag zwar beim Mehrheitswahlrecht die unter "ferner liefen" sortierten Wahlkreis-Mitbewerber in der Regel kleinerer Parteien benachteiligen; aber er garantiert in der parlamentarischen Demokratie Stabilität und Praktikabilität.

Das Wahlrecht wird — so sind die Verhältnisse — bleiben, wie es ist. Stattdessen werden wir ab Montag ein Hauen und Stechen, ein Feilschen und Tricksen um Schwarz-Gelb, Schwarz-Rot, neuerdings Schwarz-Gelb-Grün erleben, das uns die Haare zu Berge stehen lässt. Gegen Grippe kann man sich impfen lassen, aber die Koalitionitis grassiert, ohne dass ein Arzt kommt. Absurd erscheint die Einstellung: Das geht vorüber, bis zum nächsten Anfall.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(mc)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort