Kolumne: Hier in NRW Von Bürgernähe bis Blamage

Düsseldorf · Politiker müssen bürgernah sein. Als die Bertelsmann Stiftung vor einigen Jahren fragte, welche Politiker-Eigenschaften den Deutschen am wichtigsten seien, lag "Bürgernähe" auf Platz drei - noch vor "Tatkraft" und "Sympathie".

Kolumne: Hier in NRW: Von Bürgernähe bis Blamage
Foto: Ronny Hendrichs

Im vergangenen Jahr befragte das Institut Infratest Dimap das Volk. Ergebnis: Fast jeder zweite Deutsche ist davon überzeugt, dass Politiker nicht wissen, was im wirklichen Leben los ist.

Vielleicht war Bürgernähe die größte Stärke der im Mai abgewählten Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Als sie kurz nach ihrer Wahl die Angehörigen der Loveparade-Katastrophe tröstete, prägten ihre Tränen sich in das kollektive Gedächtnis ein. Ihre Empathie war authentisch und trug viel zur Glaubwürdigkeit ihrer Rolle als Landesmutter bei.

Auch die neue Landesregierung will bürgernah sein. Mit der Neugründung eines "Heimatministeriums" unter Ina Scharrenbach (CDU) soll Bürgernähe sogar institutionalisiert werden. Den Umzug der Staatskanzlei aus dem Stahl-und-Glas-Stadttor ins historische Landeshaus begründete NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) damit, dass sein neuer Amtssitz "zugleich bürgernah und repräsentativ" sei.

Die peinliche Posse, die CDU und FDP sich im Landtag geleistet haben, torpedierte in der vergangenen Woche allerdings das regierungsamtliche Mühen um Bürgernähe. Die Regierungsparteien wollten eine private Initiative zur Anerkennung der St. Martins-Tradition als Weltkulturerbe unterstützen und beantragten im Landtag eine entsprechende Beschlussfassung.

Dumm nur, dass die Bürgerinitiative "www.martinstradition.de" sich noch vor der Abstimmung von dem Antrag von CDU und FDP distanzierte. Sogar per Beschwerde an den Landtagspräsidenten: Der Antrag gebe die Anliegen der Bürgerinitiative falsch wieder, fasse deren bisheriges Vorgehen falsch zusammen und missbrauche vor allem die überparteilich gemeinte Aktion als billige Werbeaktion für CDU und FDP.

Statt sich mit der Bürgerinitiative abzustimmen und sich inhaltlich mit dem Thema zu beschäftigen, kopierten CDU und FDP lieber ganze Passagen aus dem Online-Lexikon Wikipedia in den Antrag. Nachdem unsere Redaktion den peinlichen Hintergrund publik machte, zogen CDU und FDP ihren Antrag kleinlaut zurück.

"Bürgernähe" ist ein Gefühl. Wer Gefühle inszeniert, die er nicht hat, fliegt meistens auf. Das ist im Landtag nicht anders als im wirklichen Leben.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(tor)
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