Kolumne: Hier in NRW Neubau ist nicht die einzige Option

Düsseldorf · Das Land braucht noch Jahrzehnte für die Sanierung der maroden Infrastruktur. Bis dahin muss das Bestehende besser genutzt werden. Das ist nicht sexy, aber notwendig.

Kolumne: Hier in NRW: Neubau ist nicht die einzige Option
Foto: Ronny Hendrichs

Zu den Lieblingsbeschäftigungen von Politikern gehören Einweihungen. Bei kaum einer anderen Gelegenheit können sie den Erfolg ihres Wirkens so bürgernah darstellen wie beim symbolischen Durchschneiden des Eröffnungsbandes vor Kindergärten, Straßen oder Konzertsälen.

Die entsprechenden Bilder erwecken den Eindruck, als ginge es überall im Land voran. Aber die Bilder sind Nebelkerzen. In Wahrheit fehlt es allerorten an funktionstüchtigen Schulgebäuden, Brücken, Schienen und sonstiger Infrastruktur. Die Kommunen, die mehr als die Hälfte der öffentlichen Investionskosten tragen, schieben einen Investitionsstau in mittlerer zweistelliger Milliardenhöhe vor sich her. Allein die Krankenhäuser in NRW beklagen eine Investitionslücke von 12,8 Milliarden Euro. Mindestens 284 NRW-Brücken wurden so vernachlässigt, dass sie durch Neubauten ersetzt werden müssen.

Inzwischen steuert die Politik mit Rekordausgaben gegen. Aber das Geld reicht hinten und vorne nicht, um die seit den 90er Jahren fast flächendeckend vernachlässigte Infrastruktur zu sanieren. Selbst wenn genug Geld da wäre, würde der Sanierungsprozess trotzdem Jahrzehnte dauern.

Deshalb muss die Politik eine neue Tugend entwickeln: die effizientere Nutzung des Bestehenden. Die Wohnungswirtschaft macht es vor: Sie entwickelt gerade Anreizsysteme, um Senioren in zu groß gewordenen Wohnungen für den Umzug in kleinere zu belohnen. So entsteht neuer Platz für Familien. Die Krankenhäuser sollten sich zusammenschließen und Schwerpunkte untereinander aufteilen: Nicht jedes Haus muss das komplette Spektrum von Onkologie bis Transplantation vorhalten.

Die Straßen sind ausgelastet, aber die Autos nicht. Deshalb müssen Carsharing-Angebote und Pendlergemeinschaften stärker gefördert werden. Die flächendeckende Verbreitung von Smartphones mit Ortungsfunktion produziert auch genug Daten für bessere Verkehrsleitsysteme. Unternehmen, die den Arbeitsbeginn auf Zeitpunkte außerhalb der Rushhour verlegen, sollten belohnt werden.

Projekte dieser Art lassen sich zwar nicht so gut fotografieren wie das Durchschneiden eines Eröffnungsbandes. Aber vielleicht würde ja eine Art Politiker-Preis helfen, der Ideen zur optimierten Nutzung der Infrastruktur belohnt.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(tor)
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