Kolumne: Gott Und Die Welt Vertrauensverlust schwächt unser Zusammenleben

Der Diesel-Skandal hat unser Vertrauen in eine Branche erschüttert, die als eine Domäne unseres Landes gilt. Das hat Folgen, denn Vertrauen ist immer auch die Voraussetzung für das Zusammenleben in einer freiheitlichen Gesellschaft.

 Unser Autor Lothar Schröder.

Unser Autor Lothar Schröder.

Foto: Schröder

Die anhaltende Empörung über den Diesel-Skandal deutscher Autobauer hat etliche Gründe. Viele offenkundige - verbunden mit der Sorge um den Wertverlust des eigenen Fahrzeugs, um künftige Fahrverbote, aber auch um die Belastung der Umwelt. Doch unter all dem schlummert noch ein anderes Unbehagen. Das ist der Vertrauensverlust. Den kann es nur geben, wenn zuvor - so platt das auch klingen mag - überhaupt so etwas wie eine kollektive Vertrauensbasis existierte. Und zu welcher Branche fühlen die Deutschen eine stärkere, auch emotionalere Verbundenheit als zur Autoindustrie hierzulande? Mit "Made in Germany" wurden viele Produkte geadelt, doch bei kaum einem schien es so triftig und berechtigt zu sein wie beim Auto. Das grundsätzliche Vertrauen in die deutsche Wirtschaft und ihre Leistungsfähigkeit ist vor allem dieser Branche geschuldet.

Und jetzt ausgerechnet die Autoindustrie! Eine Domäne unseres Landes, die nicht Anlass geben muss zu irgendeinem diffusen Nationalstolz. Das nicht. Die aber zu unserem Selbstverständnis gehört. Mit jeder neuen Nachricht von Trickserei und Manipulation aber wird die Erosion eines Vertrauens vorangetrieben, das nicht nur Deutschlands liebstes Kind meint, sondern auch die Vorstellung unseres Zusammenlebens. Denn eine freiheitliche Gesellschaft kann nie funktionieren ohne ein Grundvertrauen.

Unser Vorschuss auf die Verlässlichkeit der Entscheidungsträger ist eine Bedingung unseres Verständnisses von Freiheit. Es ist zugleich unser kollektiver Beitrag, wenn wir darauf hoffen, dass der andere unsere Arglosigkeit nicht ausnutzt und missbraucht. Dieser Vertrauensvorschuss ist kein Zeichen von Naivität; er ist eine Brücke zwischen Wissen und Nichtwissen.

Denn in komplexen Gesellschaften, in denen nicht mehr jeder alles durchschauen kann, wird Vertrauen zur Basis unseres Handelns. Vertrauen ist Hoffnung und Freiheit. In der Hoffnung zeigt sich unsere Souveränität. Sie zu verletzen ist auch ein Zeichen gesellschaftlich unverantwortlichen Handelns. Vertrauen ist keine Eintagsfliege. Es braucht lange, bis es aufgebaut wird. Selbst dann ist es keine Selbstverständlichkeit. Weil Vertrauen eine innere Bereitschaft voraussetzt. Nicht umsonst heißt es, dass man jemandem Vertrauen schenkt. In dieser Vorleistung schwingt auch die Hoffnung mit, nicht enttäuscht zu werden. Mit jedem Vertrauensvorschuss machen wir uns automatisch angreifbar; und wer angreifbar ist, wird verletzlich. Auch daraus speist sich die Empörung der Menschen.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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