Kolumne: Gott Und Die Welt Das kleine Glück des schönen Augenblicks

Nichts scheint so kurz und so flüchtig wie das Glück des Augenblicks. Doch in diesem Moment berühren sich Zeit und Ewigkeit.

Kolumne: Gott Und Die Welt: Das kleine Glück des schönen Augenblicks
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Zum ersten Mal in diesem Jahr

also wieder barfuß am Rhein. Die ersten Schritte sind noch zaghaft; doch der Sand ist tatsächlich schon warm. Ein paar junge Leute versuchen - zu unüberhörbarer Musik -, auf einem bemitleidenswerten Mobil-Grill ein paar Würstchen braun zu bekommen. Neben ihnen bestaunt ein Dackel fassungslos zwei Enten, die entspannt quasi direkt vor seiner Nase vorbeischippern. Dahinter werfen einander über große Distanz zwei Jungs gekonnt eine Frisbee-Scheibe zu. Die Darstellung ihrer Kunstfertigkeit gilt natürlich auch den Mädchen auf der Decke, die sich wie einst die Loreley direkt am Rhein drapieren. Doch die widmen sich ihren Smartphones und schreiben vielleicht gerade die Nachricht, dass sie am Rhein in der Sonne liegen (ohne ein Wort über Loreley zu verlieren).

All das mag man oberflächlich nennen. Und wer sein möglicherweise schlechtes Gewissen niveauvoll zu beruhigen sucht, zitiert (wie viele Tausende vor ihm) den antiken Dichter Horaz mit seinem "Carpe diem". Den Tag soll man danach genießen, eigentlich soll man ihn nach der Übersetzung ja "pflücken", was erst einmal ungewöhnlich klingt, aber gar nicht so falsch ist. Denn pflücken ist etwas Aktives. Man nutzt den guten Tag oder den großen Augenblick, indem man ihn als Chance begreift und dann auch ergreift.

Der schöne Augenblick - das hört sich flüchtig an, vielleicht sogar verzweifelt. Doch vielleicht gibt es das Glück nur im Augenblick, nur im Moment, in dem das meiste gelingt. Vielleicht ist es dann eben der kleine und nicht ganz saubere Strand am Rhein und das tapfer gegrillte, aber naturgemäß angekohlte Würstchen. Dieses Glück ist so kurz, dass es in Erinnerung bleibt. Dass es zu einer Erfahrung wird, die dann und wann an die Oberfläche spült. Der Philosoph Sören Kierkegaard nannte den Augenblick das Zweideutige, in dem Zeit und Ewigkeit einander berühren. Nichts aber wäre glückloser, wollte man diesen Moment am Ende dann auch festhalten. Im Glück des Augenblicks steckt vielmehr die Fähigkeit zu sein. Dieser Moment bin ich. Ganz und gar. Wie oft lässt sich so etwas im Alltag unserer vielen Bedenklichkeiten schon sagen? Und in der Tat gibt es genug Gründe, Sand und Sonne und Wurst infrage zu stellen mit den vielen anderen Problemen bei uns und in dieser Welt. Aber die verschwinden nicht. Sie werden sich schon morgen oder in der nächsten Woche wieder melden. Aber nicht jetzt, nicht in diesem Augenblick.

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(RP)
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