Gesellschaftskunde Warum die Bayern ein kluger Schwarm sind

Das Nein zu Olympia im Freistaat ist nicht Ausdruck von Angst vor Großprojekten, wie jetzt unterstellt wird. Es spiegelt den Unwillen, sich als Kollektiv ausnehmen zu lassen.

Nun haben also wieder Bürger Nein gesagt. Diesmal die Bayern zu Olympia im Winter 2022, und man kann die Enttäuschung in Sportlerkreisen verstehen, die in München schon die Fackel lodern sahen. Doch im Nachgang werden nun Klagen laut über die vermeintlichen Wutbürger, die wieder einmal ein Großprojekt verhindert hätten. Schon fordern die ersten Enttäuschten, künftig den gemeinen Wähler lieber gar nicht mehr über große Projekte abstimmen zu lassen. Der ließe sich ja ohnehin nur von der "German Angst" leiten, Köln etwa wäre niemals Domstadt geworden, hätte man damals schon die Bevölkerung gefragt.

Doch das Naheliegende ist nicht immer richtig. Und so greift es viel zu kurz, deutschen Bürgern generell Angst vor Großprojekten zu unterstellen. Natürlich ist ein Event wie Olympia schwer überschaubar — in seinen Folgen für die Umwelt, in seinen Kosten für die Steuerzahler. Und es stehen genügend Großruinen in Deutschland herum, von denen kein Flieger abhebt, in denen kein Orchester musiziert. Das mag abschreckende Wirkung haben.

Doch olympische Spiele sind kein Bauvorhaben, das von einer überforderten Kommune geplant werden müsste wie manche Konzerthalle oder der Berliner Flughafen. In Deutschland hat auch das Sommermärchen funktioniert, wieso hätte es im Winter nicht klappen sollen?

Es war also kaum die Furcht vor einem Fiasko, die die Bayern zu Neinsagern gemacht hat. Viel wahrscheinlicher war es das Gefühl für die mangelnde Allgemeinnützlichkeit des Vorhabens. Natürlich ist ein Ereignis wie Olympia eine gigantische Einnahmequelle — nur nicht für alle. Nicht mal unbedingt für die, die mit ihren Steuergeldern investieren. Es gibt aber in der Gesellschaft ein immer feineres Gespür für die ausbeuterischen Methoden allzu mächtiger Verbände oder Konzerne und ein wachsendes Selbstbewusstsein, sich von Lizenzgebern und Markenhaltern nicht ausnehmen zu lassen.

In der Natur ist der Schwarm, das Kollektiv, intelligenter als der einzelne Fisch, weil er drei Regeln befolgt: Bleib bei der Gruppe, vermeide Kollisionen und beweg dich in die gleiche Richtung wie die Artgenossen in deiner Nähe! Diese Regeln haben die Gemeinschaft im Blick, den Zusammenhalt im Verband, den klugen Ausgleich zwischen den Individuen. Mit dieser Art von eigennützigem Gemeinwohl, von intuitiver Rücksichtnahme kommt ein Kollektiv voran, es schwimmt oder fliegt gigantische Strecken. Könnte sein, dass die Bayern ein kluger Schwarm sind.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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