Kolumne: Gesellschaftskunde Vom Glück, sich selbst annehmen zu können

Düsseldorf · Die Advents- und Weihnachtswochen sind eine gute Zeit, um Dankbarkeit zu üben. Denn wahre Dankbarkeit bedeutet, das Leben zu schätzen, wie es ist – mit allen Fehlern.

Die Advents- und Weihnachtswochen sind eine gute Zeit, um Dankbarkeit zu üben. Denn wahre Dankbarkeit bedeutet, das Leben zu schätzen, wie es ist — mit allen Fehlern.

Nun öffnen viele schon täglich Türchen, Beutelchen, Schublädchen und erhalten kleine Aufmerksamkeiten zum Advent. Sie werden beschenkt, bekommen jeden Tag ein Zeichen, dass Sie einem anderen wichtig sind. Dass es gut ist, dass es Sie gibt.

Natürlich leben wir in einer Konsumgesellschaft, in der Weihnachten ein großes Ausstattungsgeschäft geworden ist. Und so erscheint manchen alles in Sternenpapier Eingewickelte, weihnachtlich Überzuckerte als verdächtig. Sie sehnen sich nach der Rückbesinnung auf das Wesentliche der Weihnachtsbotschaft. Und natürlich hat die Konsum-Skepsis ihre Berechtigung. Doch sich beschenken zu lassen, ist auch eine gute Übung: Nämlich dankbar zu sein und aufmerksam zu werden für das Gute, das einem im Leben widerfährt — öfter als man es gewöhnlich wahrnimmt.

Dankbarkeit ist auch ein Ausdruck dafür, dass ein Mensch annehmen kann. Es geht nicht nur darum, sich nicht zu zieren, wenn man beschenkt wird, sondern schlicht Danke zu sagen. Annehmen zu können, bedeutet viel grundlegender, sich an dem zu freuen, was ist. Nicht zu überlegen, was alles möglich gewesen wäre, was man vielleicht verpasst hat oder was anderen besser gelingt. Annehmen bedeutet, die Gegenwart wahrzunehmen und wertzuschätzen. So wie sie ist. Dazu bedarf es einer gewissen Stärke, denn das heißt auch, dem Vergleichsdenken und Konkurrenzstreben zu widerstehen.

Wer sich aufs Annehmen versteht, betrachtet auch gelassen, was ihm gegen den eigenen Willen widerfährt. Rückschläge, unerfüllte Wünsche, geplatzte Träume - damit kann man hadern. Oder man entscheidet sich, nach den neuen Wegen zu suchen, die jedes Hindernis weist. Das ist vielleicht die größte Herausforderung im Leben: Sich selbst anzunehmen in der eigenen Begrenztheit. Viele Menschen sind am kritischsten und härtesten mit sich selbst, sie urteilen über die eigene Person als unerbittliche Richter. Wer dagegen in eine Haltung der Dankbarkeit findet, auch für das Schiefe, Enttäuschende, Misslungene im eigenen Leben, der wird das als Befreiung erleben.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(dok)
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