Gesellschaftskunde Probier's mal mit Geselligkeit

Düsseldorf · Menschen treten immer noch Vereinen bei - aber die sollen tunlichst einem Zweck dienen. Simples Beisammensein aus purer Freude scheint aus der Mode gekommen. Dabei hat das einen Wert an sich.

 Einfach mal zusammen sitzen: Dohlenfest in Bracht. (Archiv)

Einfach mal zusammen sitzen: Dohlenfest in Bracht. (Archiv)

Foto: Siemes

Kaum einer spricht heute noch von Geselligkeit. Das Wort scheint ausgemustert, muffig, überflüssig wie Kegelbahnen, Tanztees, Kaffeekränzchen oder all die altmodischen Vergnügungen, zu denen Menschen sich früher trafen. Es werden ja auch keine Zigarren mehr gepafft, bei Geburtstagen wird nichts Selbstgereimtes mehr vorgetragen und sonntags kein Frühschoppen mehr abgehalten. In welcher Kneipe gibt es noch einen Stammtisch? Und wie viele Kneipen sind längst Systemgastronomien, in denen hausgemachte Limonade serviert wird?

Man kann das für den Wandel der Zeit halten. Für Moden der Lebensführung. Heute gehen Leute eben lieber ins Fitnessstudio, um den Berufsstress wegzustrampeln, oder vergnügen sich mit ein bisschen Zocken am PC. Sie engagieren sich für begrenzte Zeit in Gruppen, deren Ziele sie für sinnvoll halten. Sie sind nicht weniger enthusiastisch. Auch nicht weniger an ihrer Umwelt interessiert. Nur insgesamt flexibler.

Allerdings gibt es da tieferliegend schon einen grundsätzlichen Sinneswandel, eine Tönung im sozialen Miteinander, die nicht unerheblich ist. Dieser Wandel hat damit zu tun, dass heute alles Interessen folgen und Zwecke erfüllen muss. Es scheint, als führe jeder Einzelne unbewusst ständig Bilanz darüber, was "es bringt", dieser oder jener Beschäftigung nachzugehen. Der Lustgewinn muss maximal sein. Oder wenigstens das Ziel sinnvoll, für das man sich engagiert. Und wenn es sich auch noch im Lebenslauf gut macht - umso besser.

 Unsere Autorin Dorothee Krings.

Unsere Autorin Dorothee Krings.

Foto: Krings

Geselligkeit aber hat kein Ziel. Sie ist purer Selbstzweck. Das macht gerade ihr Wesen aus. Man trifft sich aus "Spaß an der Freud", man trinkt ein Bier mehr, als einem am nächsten Tag guttut, man ist beisammen. Und schätzt das als Wert an sich. Das ist keine Zeitverschwendung, sondern hat mit Lebensbejahung und Interesse an anderen zu tun.

Wenn das heute weniger gepflegt wird, ist das nicht nur ein harmloser Wandel des Freizeitverhaltens. Das Individuum, das in so vielen Lebensbereichen kämpfen, seine Anerkennung verdienen, seinen Status erhalten muss, tut sich immer schwerer damit, im anderen nicht den potenziellen Konkurrenten zu sehen. So zerbröselt ein Gemeinschaftssinn, der wenig mit tumber Kumpanei, dafür viel mit Vertrauen und Anteilnahme zu tun hat. Gerade in den geselligen Vereinen haben sich die Menschen ja immer ausgeholfen. Das war nur nicht der Zweck der Vereine, es war die schöne Nebenwirkung. Der Bedarf dafür ist nicht verschwunden. Die Wertschätzung schon.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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