Kolumne: Gesellschaftskunde Die Sorge um Sorgfalt

Düsseldorf · Natürlich gibt es weiterhin Menschen, die es genau nehmen. Wie jener Geigenbauer, dessen Werkstatt ein Fenster zur Straße besitzt und dem man darum zuschauen kann, wie er Hölzer bearbeitet - mit Genauigkeit und Konzentration. Man könnte auch sagen: mit Sorgfalt - eine Haltung, die in der Konsumgesellschaft unter Druck geraten ist.

Kolumne: Sorge um die Sorgfalt
Foto: Krings

Denn Sorgfalt hat ihren Preis. Sie kostet Zeit und Aufmerksamkeit. Sie verlangt nach Menschen, die etwas beharrlich gut machen wollen und sich dabei nicht beirren lassen - auch nicht von Forderungen nach mehr Effizienz und höherem Gewinn. Wer Sorgfalt walten lassen will, kann nicht 1000 Dinge gleichzeitig tun.

Er kann auch nicht schneller arbeiten, als es die Gründlichkeit erlaubt, denn es geht ihm ja um Ansprüche, die sich aus einer Sache oder Aufgabe selbst ergeben. Der Sorgfältige will eine Geige bauen, die gut klingt; ein Gericht kochen, das raffiniert schmeckt; eine Unterrichtsstunde vorbereiten, die Kinder wirklich weiterbringt. Oder was auch immer.

Sorgfalt ist widerständig. Sie verlangt nach einer inneren Haltung zum eigenen Tun, nach Maßstäben, die sich an Qualität orientieren. Natürlich verlangt auch die Sorgfalt selbst nach dem rechten Maß. Man kann sich auch "verpuzzeln", zu viel Liebe an Details verschwenden, die am Ende gar nicht so wichtig sind. Perfektionismus ist kein Wert an sich.

Doch mit der großen Lust, Dinge zu kaufen und schnell wieder durch neue zu ersetzen, sind die Ansprüche an Sorgfältigkeit gesunken. Ein Produkt geht schnell kaputt - man ärgert sich nicht lange, sondern kauft ein neues. So verlieren mit Sorgfalt erreichte Standards an Bedeutung, und Menschen, die es genau nehmen, müssen sich häufiger rechtfertigen. Dabei sprechen ihre Werke meist für sich.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(dok)
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