Kolumne: Gesellschaftskunde Keine Frage der Korrektheit

Berlin · Wer über Hartz IV spricht, verrät seine Haltung zu Armut. Ob er will oder nicht.

Jens Spahn - Ex-Gesundheitsminister und Münsterländer
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Das ist Jens Spahn

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Es gibt keine sachlichen Aussagen. Das ist eigentlich schon länger bekannt. Schon Ende der 60er Jahre haben der berühmte Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick und seine Kollegen festgehalten, dass jede Kommunikation mindestens eine Inhalts- und eine Beziehungsebene besitzt. Und dass man das eine nie ohne das andere haben kann. Das lernt man heute in der Schule.

Natürlich gibt es diese Beziehungsebene auch, wenn Menschen öffentlich sprechen. Wenn sich also ein Politiker wie Jens Spahn zu Hartz IV äußert, kann es durchaus sein, dass er korrekte Fakten anführt. Etwa, dass in Deutschland niemand verhungern muss, selbst wenn er auf Sozialleistungen angewiesen ist.

Doch natürlich hat auch diese Aussage eine Beziehungsebene. Und auf der spricht ein besserverdienender Politiker über arme Menschen, zu denen er wahrscheinlich wenig Kontakt hat. Das wird als überheblich und borniert wahrgenommen. Da spielt die Sachebene keine große Rolle mehr. Und entsprechend fallen die Reaktionen aus.

Dorothee Krings.

Dorothee Krings.

Foto: Krings

Menschen, die nach solchen Äußerungen in die Kritik geraten, betonen oft, dass sie doch nur gesagt hätten, was Sache sei. Und dann sind meist auch Sympathisanten zur Stelle, die von Schweigekartellen, Meinungskorridoren oder anderen Schlagworten aus dem "Man wird ja wohl noch sagen dürfen"-Repertoire sprechen. Dabei darf man in Deutschland alles sagen, was nicht gegen geltendes Recht verstößt. Man darf sich nur nicht wundern, wenn auch die unausgesprochenen Botschaften bei den Betroffenen ankommen.

In vielen Kommunikationsmodellen ist übrigens noch eine weitere Ebene interessant: Mit jeder "sachlichen Aussage" gibt der Sprecher auch eine Selbstauskunft. Er verrät, wie er die anderen sieht und was er über die Welt denkt. Mancher verrät dabei mehr, als ihm lieb ist.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(dok)
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