Kolumne: Gesellschaftskunde Glück ist nicht an den Augenblick gebunden

Die spektakuläre Reise oder das unvergessliche Fest - viele Menschen versuchen mit viel Aufwand, sich Glücks- momente zu verschaffen. Dabei stellt sich Glück viel einfacher ein, wenn man der Achtsamkeit Raum gibt.

Kolumne: Gesellschaftskunde: Glück ist nicht an den Augenblick gebunden
Foto: Phil Ninh

Seit die Menschen sich immer mehr leisten können und Langeweile zu einem Problem geworden ist, hat sich das Gefühl für Glück verändert. Heute hat dieses Empfinden viel mit Euphorie zu tun. Menschen warten auf den einen Moment, der unbeschreiblich sein muss, besser als alle Momente zuvor und natürlich unvergesslich. Das neue Glück ist Ausnahmezustand, ist plötzlicher Überschwang, ist Hochschnellen der freudigen Emotionen. Von Glück muss sich in Superlativen erzählen lassen, Glück muss trunken machen - und andere neidisch.

Darum wird der Aufwand für Anlässe, die das Glückversprechen in sich tragen, ins Unendliche gesteigert: Hochzeiten werden an exotische Orte verlegt, Kindergeburtstage zu aufwendigen Motto-Parties ausgebaut, Abiturfeiern derart luxuriös verfeinert, bis sie den Debütantenbällen früherer Jahrhunderte gleichen. Der Antrieb ist stets die Sehnsucht, Momente zu schaffen, die den Einzelnen aus der grauen Masse reißen, die seinem Leben Haltepunkte verschaffen, die ihm Einmaligkeit suggerieren. Und weil es nicht so leicht ist, die eigenen Erwartungen immer wieder zu überbieten, ist das mit dem Glück eine ziemlich anstrengende Sache geworden.

Das zeigt sich auch in diesen Wochen, wenn die Menschen in die Ferien aufbrechen und auch dabei versuchen, mit viel Aufwand, Luxus, Geld, das Glück zu stimulieren. Da werden außergewöhnliche Orte angesteuert, Unterbringung in Baumhäusern, Schäferwagen, Floßhütten gebucht, sportliche Herausforderungen gesucht, um die Adrenalinzufuhr zu garantieren. Und manch einer sitzt dann in der Karibik oder vor dem Tipi im Brandenburgischen und wartet vergebens, dass sich die Euphorie einstellt.

Denn das Glück ist ja gar nicht an den Augenblick gebunden. Und auch nicht an den spektakulären Moment. Glück stellt sich viel tiefer und bleibender ein, wenn der Mensch zur Ruhe kommt, wenn er Raum schafft für die Achtsamkeit, ohne die es wahre Erfüllung nicht geben kann. Glück ist nicht das Ziel, das man nur treffen muss, um Momente der Euphorie zu erzwingen, es stellt sich im Tun und Lassen ein, wenn man eben nicht mehr irgendwelchen Vorstellungen nacheifert, sondern sich öffnet für das Glück in Begegnungen oder in konzentriertem Tun - egal, ob man liest, radelt, gärtnert oder mit den Kindern Sandburgen baut.

Das ist das Schöne am Glück, es lässt sich nicht erzwingen, aber einladen. Und manchmal bleibt es dann auch länger.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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