Kolumne: Gesellschaftskunde Die Konsumwelt produziert den Überdruss mit

Neue Dinge anzuschaffen, bringt Freude. Doch hält die immer kürzere Zeit. Nicht weil die Produkte schlechter würden, sondern weil Menschen verinnerlichen, dass nur neu auch gut ist.

Früher wurden Dinge, die der Mensch benutzte, irgendwann alt und unbrauchbar. Dann wurden sie weggeworfen. Heute werden sie peinlich.

Das geschieht sehr viel schneller, als dass Produkte untauglich würden. Denn die meisten Artikel könnten ja durchaus ein halbes Leben halten. Schließlich ist der Konsument kritisch, und er kauft nur Dinge, die technisch überzeugen und zumindest den Eindruck machen, stabil gebaut zu sein. Wer will schon Billigkram?

Doch dann wird der Käufer seine Ware vor der Zeit, also vor Ablauf ihrer Brauchbarkeit leid. Er mag sie nicht mehr am Leib tragen, nicht mehr um sich haben, kann sie nicht mehr sehen. Herbstklamotten? Irgendwie ist aus dem Vorjahr nichts mehr übrig. Alles ist der Kunde satt.

Das wird ihm suggeriert in der Konsumgesellschaft, die ihre Zyklen immer kürzer fassen muss, um den Absatz zu steigern, die Wirtschaft in Schwung zu halten, ihr eigenes Bestehen zu sichern.

Produkte auch für den alltäglichen Gebrauch sind ja längst keine unschuldigen Werkzeuge mehr. Sie sind aufgeladen mit Prestigeversprechen, dienen dazu, dem sozialen Umfeld zu signalisieren, wie viel sich ihr Besitzer "wert ist" - wie viel Geld er für den Konsum flüssig machen kann. Und genauso können sie signalisieren, dass jemand die neueste Trendwende verpasst hat. Dass er der Zeit hinterherhinkt. Nichts schlimmer in der beschleunigten Gegenwart als das.

Das Gefühl des Überdrusses ist also Teil des Warenkreislaufs, in dem und mit dem wir leben. Doch lässt sich dieses Gefühl nicht so leicht einhegen und bleibt nicht allein auf den Konsumbereich beschränkt, sondern kann zu allgemeiner Misslaune, zu einer Genervtheit und Überreiztheit führen, die sich auch auf die alltäglichen Beziehungen auswirkt.

Man nimmt das als unterdrückte Gereiztheit wahr, als Ungeduld im Umgang in unscheinbaren Situationen wie an der Kasse, im Restaurant, im Straßenverkehr. Es geht nicht schnell genug, nicht gut genug, nicht vorwärts genug. Menschen sind kaum noch zufriedenzustellen, können das Einfache, Gute, Beständige nicht mehr schätzen.

Es gibt Gegenbewegungen wie "Slowfood" oder die neue Freude am Handwerklichen. Doch auch das sind wieder Trends, die aufkommen, begeistern, abflauen. Man muss diesen seltsamen Unmut aus Überdruss, der viele Menschen befällt, schon grundlegend hinterfragen, um zu Entspanntheit zurückzufinden. Sie beginnt mit weniger Konsum.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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