Kolumne: Berliner Republik Warum Gauck weitermachen sollte

Berlin · Joachim Gauck hat dem Amt des Bundespräsidenten die verlorene Würde wiedergeben - weil er Wogen glätten kann, ohne billig zu beschwichtigen. Bitte, Herr Präsident, machen Sie doch noch fünf Jahre weiter.

 Unser Autor Christoph Schwennicke.

Unser Autor Christoph Schwennicke.

Foto: Schwennicke

Unser Nachbarland Österreich hat sich zu einem neuen Mann an der Spitze gehangelt hat. Hierzulande rätselt man jedoch, ob Joachim Gauck für eine zweite Amtszeit zur Verfügung steht. In den kommenden Tagen und Wochen müsste über dem Schloss Bellevue Rauch aufsteigen.

Nach allgemeiner Lesart will Gauck weitermachen. Aber daran sind Zweifel angebracht. Oft ist es vor allem die Entourage, die sich wünscht, dass die Nummer eins im Amt bleibt, denn schließlich hängen davon Existenzen und Karrieren ab. Bei Gauck selbst gab es in jüngster Zeit eher Hinweise darauf, dass es mit einer Amtszeit auch gut sein könnte. So hatte er zuletzt bei einer China-Reise gesagt, dass er das Land gern noch einmal als Privatmann besuchen würde. Bei einem 76-Jährigen ist das eine andere Aussage als bei einem Mittvierziger. Bei aller zu wünschenden Gesundheit: So viele Jahrzehnte bleiben für die Erfüllung dieses Wunsches nicht mehr.

Sollte also Joachim Gauck tatsächlich zum Aufhören tendieren, so sei ihm zugerufen: Das Loslassenkönnen ehrt Sie, Herr Bundespräsident, aber wenn Sie es mit sich und Ihrer Gesundheit vereinbaren können, dann machen Sie doch bitte noch fünf Jahre weiter.

Joachim Gauck hat bis hierher schon eine große Leistung vollbracht. Er hat dem Amt des Bundespräsidenten die verlorene Würde wiedergeben. Nach den Rücktritten von Horst Köhler und Christian Wulff war das die erste und wichtigste Aufgabe Gaucks.

Im Zuge dieser Rehabilitierung des Amtes hat Gauck eine Gabe an den Tag gelegt, die aktuell von besonders hoher Bedeutung ist. Er trifft den richtigen Ton und findet die richtigen Worte. In einem zunehmend aufgewühlten Deutschland ist diese Fähigkeit gar nicht hoch genug einzuschätzen. Seine Sätze sind markant und doch ausgewogen. Die Botschaften klar und deutlich, wie zuletzt in der Flüchtlingsfrage.

Nach einem Jahrzehnt der Sedierung, nach einem Jahrzehnt der asymmetrischen Demobilisierung durch die Kanzlerin ist dieses Land aus den Fugen geraten. Und aus eben jenem Grund ist Gauck so wichtig: Weil er Wogen glätten kann, ohne billig zu beschwichtigen. Weil das Land jetzt keine weitere Wallung braucht auf der Suche nach einem Nachfolger. Weil dieser Bundespräsident sich in Ton, Wortwahl und Stil so wohltuend abhebt vom Gebaren einer dissonanten Bundesregierung.

Christoph Schwennicke ist Chefredakteur des Magazins "Cicero" und schreibt regelmäßig an dieser Stelle im Rahmen einer Kooperation. Ihre Meinung? Schreiben Sie dem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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