Kolumne: Berliner Republik Querdenken am Montagmorgen

Ralf Stegner, stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD, ist immer für ein paar Minus-Prozentpunkte seiner Partei gut - vor allem, wenn er Montagmorgens im Radio spricht. Wer dem Mann da zuhört, kommt schon mal auf extreme Ideen. . .

Montagmorgen, grauverhangen, und der Mann im Radio bellt kurz vor sieben näselnd seine Salven aus dem Lautsprecher. Alles Idioten, die alles falsch machen, alles Unsinn, nichts, was der Moderator sagt ("Das stimmt doch nicht!" ) hat auch nur einen Gran Richtigkeit.

Von welcher Radikalopposition ist der denn?, fragt man sich schlaftrunken und merkt: Das hier ist Ralf Stegner bei der Arbeit. Falls sich die SPD fragen sollte, wie sie aus ihrem 20-Prozent-Keller rauskommen will, sei ihr zugerufen: Mit Stegner am Morgen sicher nicht. Der Parteivize von Sigmar Gabriel mäht alles nieder, was ihm in die Quere kommt. Für anderthalb Prozentpunkte Minus der Sozialdemokraten dürfte sein Amoklauf am Montagmorgen wieder gut sein.

Eine einzige Hörerin des Deutschlandfunks allerdings könnte sich beim Zähneputzen gefreut haben, wenn sie denn auch den Tag mit dem besten Politsender der Republik beginnt. Angela Merkel, die Kanzlerin, ist ausgenommen vom Dauerfeuer des Ralf Stegner. Sie schützt er vor deren eigenen Leuten und auch vor dieser Julia Klöckner aus Rheinland-Pfalz, die in der Flüchtlingsfrage einen Plan hat, immerhin, der aber gar kein Plan A2 sei, sondern in Wahrheit ein "Anti-Merkel-Plan". SPD-Stegner wirft sich schützend vor die CDU-Kanzlerin wie Pierre Brice in "Winnetou III" vor Lex Barker.

Dann, stimuliert von einigen großen Schlucken starken Kaffees, beginnt ein Gedanke zu reifen. Und auf einmal ist alles ganz einfach, Deutschland wieder sortiert. Ein einziger "Move", wie man heute so sagt, und alles Verzopfte löste sich in Wohlgefallen auf: Vielleicht liegt der ganzen Misere ja einfach ein Missverständnis zugrunde, dass der Kollege Alexander Osang schon vor Jahren indirekt, aber sehr anschaulich benannte. Merkel, so schrieb der ebenfalls aus dem Osten stammende Reporter in einem preisgekrönten Porträt, habe sich die CDU als Partei damals in der finalen DDR ausgewählt wie andere Leute eine Eissorte. Mit anderen Worten: Es hätte statt Stracciatella (CDU) auch Pistazie (Grün) werden können, oder Erdbeere (SPD).

Nun, Jahrzehnte nach dieser Beobachtung wäre es womöglich an der Zeit, ein neues Eis zu bestellen.

Man stelle sich vor: Angela Merkel wechselte von der CDU in die SPD. Sofort hätte alles seine Ordnung zurück. Das politische Koordinatensystem stimmte wieder. Ralf Stegner wäre kein Irrlicht mehr und Horst Seehofer kein Nestbeschmutzer.

Ganz konsequenterweise müsste sich dann (was er vermutlich täte) Gregor Gysi seinen Rückzug aus der ersten Reihe der Linkspartei noch einmal überlegen, denn die SPD-Kanzlerin Merkel müsste sich dann logischerweise von einem rot-rot-grünen Bündnis wählen lassen.

Zu abgefahren? Man wird ja wohl mal ein bisschen querdenken dürfen an einem Montagmorgen. Und wenn dieses Gedankenspiel nur dafür da ist, Ralf Stegner als Wochenstart zu ertragen.

(RP)
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