Berliner Republik Die SPD spielt mit dem Schicksal

Beim Freihandelsabkommen Ceta zwischen Kanada und der EU geht es für die SPD um mehr als nur um neue Regeln für den globalen Warenverkehr. Es geht auch um die Zukunft von Parteichef Gabriel.

Berliner Republik: Die SPD spielt mit dem Schicksal
Foto: Quadbeck

Die SPD und ihre Parteichefs - das ist eine Beziehung wie zwischen den Hollywood-Legenden Richard Burton und Liz Taylor. Das Verhältnis ist weniger glamourös, aber von einer ähnlichen Hassliebe geprägt. 15 Vorsitzende - Sigmar Gabriel eingeschlossen - hatte die Partei seit Gründung der Bundesrepublik. Zum Vergleich: Bei der CDU waren es nur sieben - Angela Merkel eingerechnet.

Insbesondere für die Ära nach Willy Brandt erwies sich der SPD-Chefsessel als Schleudersitz. Mitunter waren die Sozialdemokraten über sich selbst entsetzt, wenn sie einen Parteivorsitzenden ohne Erbarmen aus dem Amt vertrieben hatten - wie einst Kurt Beck.

Über Gabriel gab es in den vergangenen Monaten mehrfach das Gerücht, er könne hinschmeißen. Nach seinem schlechten Wahlergebnis beim Parteitag im Dezember brauchte er viel Zuspruch, um überhaupt den Satz zu sagen, dass er die Wiederwahl zum Parteichef annehme. Auch die Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt im Frühjahr galten als Zitterpartie für den Verbleib Gabriels im Amt.

Und nun entzweit das Freihandelsabkommen Ceta zwischen der EU und Kanada den Vorsitzenden und seine Partei. Ganze Landesverbände haben sich gegen den Wirtschaftsminister positioniert, der das Abkommen befürwortet. Ein Parteikonvent am 19. September ist nur dem Thema Ceta gewidmet. Sollte sich eine Mehrheit gegen Gabriel stellen, droht der Bruch mit dem Parteichef. Gabriel hat mehrfach deutlich gemacht, dass er sich ein Leben mit weniger Verantwortung vorstellen kann.

Die Suche nach einem Kanzlerkandidaten ist ohne Gabriel schwierig

Wenn er das Signal bekommt, dass man ihn nicht mehr will an der SPD-Spitze, wird er vermutlich das Feld räumen. Für die Sozialdemokraten hätte ein Rücktritt ihres Vorsitzenden unabsehbare Folgen. Als Kanzlerkandidat wäre Gabriel aus dem Rennen. Die Nachfolgesuche für Parteichef und Kandidatur 2017 könnte zum Schwarze-Peter-Spiel werden. Für eine Partei, die den Anspruch hat, den Bundeskanzler zu stellen, wäre dies ein verheerendes Signal.

Fraglich ist zudem, ob es denn jemanden gibt, der es besser kann. Nun ist Gabriel unberechenbar und eruptiv. In seiner hemdsärmeligen Art hält er die SPD aber auch seit 2009 zusammen. Dass die Umfragewerte derart mies sind, kann keinesfalls alleine ihm zugeschoben werden. Aus ihrer jüngeren Parteigeschichte sollten die Sozialdemokraten lernen, dass es sich nur lohnt, einen Parteichef abzusägen, wenn man eine bessere Alternative für den Chefposten aufbieten kann.

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(RP)
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