Kolumne: Berliner Republik Der Einzug der AfD in die Normalität

Dem triumphalen Einzug der AfD in die Parlamente folgt nun die Frage: Wie halten es die Neuen eigentlich mit Realpolitik?

Kolumne: Berliner Republik: Der Einzug der AfD in die Normalität
Foto: Quadbeck

Keiner zweifelt mehr daran, dass die AfD das kleine Einmaleins der Politik beherrscht: Aufmerksamkeit erlangen, Unzufriedene abholen, Listen aufstellen, in die Parlamente einziehen. Schon sind sie da, die Parvenüs, die die etablierten Parteien das Fürchten lehren. Eine solche Bewegung hat durchaus die Chance, sich im Parteiensystem zu etablieren.

Den Grünen ist das gelungen. Gleiches gilt für die aus Protest gegen die damalige Sozialpolitik gegründete "Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit", die bekanntlich in der Linkspartei aufgegangen ist. Die Piraten hingegen oder rechtspopulistische Gruppierungen wie die Schill-Partei oder die Republikaner blieben Fußnoten der Parteiengeschichte. Eine neue Partei hat nur dann die Chance, sich dauerhaft im System zu etablieren, wenn sie sich selbst dem System, gegen das sie anfangs kämpft, schrittweise anpasst.

Die Grünen sind das Lehrbuch-Beispiel dafür. Ein alter Fuchs wie AfD-Mitgründer Alexander Gauland weiß das. Der einstige hessische CDU-Staatssekretär repräsentierte früher den konservativen Flügel der CDU. Damals galt die Hessen-CDU gleich nach der CSU als die Gralshüterin konservativer Gesellschafts- und Innenpolitik. Heute koaliert die Hessen-CDU mit den Grünen.

Derweil haben sich einst ehrbare Konservative wie Gauland in dem Gefühl politischer Heimatlosigkeit radikalisiert. Sie treibt die Vorstellung um, dass sich die Programme von CDU, SPD und Grünen kaum noch unterscheiden. Sie meinen, dass ihre politische Position nur noch gehört wird, wenn sie polemisch vorgetragen wird.

Das eigentliche Politik-Angebot kann bei den Wählern nur Bestand haben, wenn es in die Lebenswirklichkeit der Menschen passt. Die AfDler mit politischer Erfahrung wissen das. Daher intervenierte Gauland auch rasch gegen den Plan seiner Grundsatzprogramm-Kommission, die Arbeitslosenversicherung zu privatisieren. In Sachsen-Anhalt sind 38 Prozent der Wähler, die ihr Kreuz bei der AfD machten, arbeitslos. So forderte Gauland seine Partei zu mehr Blüm (Norbert, der Sozialpolitiker) und weniger FDP auf.

Und noch ein Punkt wird entscheidend sein für die Frage, ob sich die AfD eines Tages als Partei rechts von der Union etablieren kann: der Umgang mit den Rechtsradikalen, den Demokratiefeinden und den Spinnern in den eigenen Reihen. Wem es nicht gelingt, den Einfluss dieser Leute zu marginalisieren, der hat auch keine Chance auf dauerhafte Bleibe in den Parlamenten. Dafür haben die Wähler ein feines Gespür.

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(RP)
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