Kolumne "Berliner Republik" Die Basta-Kanzlerin

Berlin · Angela Merkel durchlebt in der Flüchtlingskrise die härtesten Wochen ihrer bald zehnjährigen Amtszeit. Doch ihre Haltung könnte sie das Amt kosten.

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Das ist Angela Merkel

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Foto: dpa, Patrick Seeger

Sie hat es wieder getan. Sie hat ein Interview im Radio gegeben und gesagt: Sie würde alles genauso wieder tun. Alles war richtig so, wie sie es getan hat. Sie hat sich vor das Mikrofon des Deutschlandfunks gestellt und sinngemäß mit Luther gesagt: Ich stehe hier und kann nicht anders. Angela Merkel durchlebt in der Flüchtlingskrise die härtesten Wochen ihrer bald zehnjährigen Amtszeit. Es kann sein, dass sie ihre Haltung in der Krise das Amt kostet.

Was Merkel ins Mikrofon des Deutschlandfunks gesagt hat, erinnert an das, was Gerhard Schröder seinerzeit in der politischen Schlacht um die Agenda 2010 den Gewerkschaften entgegengeschleudert hat. Es ist ihr Basta. Die Flüchtlingskrise und ihre Politik der offenen Arme sind ihre Agenda 2010. Es ist eine Politik gegen weite Teile der Bevölkerung und weite Teile der eigenen Partei. Mit einem Unterschied freilich: Die Agenda 2010 war im Großen und Ganzen richtig. Merkels Politik der bedingungslos offenen Tür ist es nicht.

Angela Merkel zu Besuch in Indien
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Merkel zu Besuch in Indien

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Die Frage ist: Erleben wir jetzt nach Merkels Schwenk in der Flüchtlingspolitik - weg vom "Wir schaffen das nicht" gegenüber einem Flüchtlingsmädchen in Rostock hin zum "Wir schaffen das!" - den Anfang vom Ende ihrer Kanzlerschaft? Ist das ihr größter Fehler gewesen? Die CSU sieht das so und hat sich von Merkel abgewendet. Bisher war der Marschbefehl der Münchner Schwester der: Eng an Merkel bleiben, damit sie 2017 die Bundestagswahl gewinnt und man die Thermik dieses Wahlerfolgs mitnimmt und 2018 für einen Wahlsieg mit absoluter Mehrheit nutzt.

Horst Seehofer glaubt an diese Merkel-Thermik nicht mehr. Sondern an einen Abwärtssog. Deshalb flanscht er sich und die CSU vom Schicksal Merkels ab. Wie bei einer Aussätzigen. Höchste Ansteckungsgefahr.

Angela Merkel besucht 9/11-Mahnmal und den "Baum des Lebens
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Merkel besucht 9/11-Mahnmal und den "Baum des Lebens"

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Und währenddessen tut sich in der Flüchtlingsfrage Gewaltiges: praktisch in den Heimen und den Kommunen sowie an den Grenzen - und politisch in Berlin. Es gärt, es brodelt. Es kann knallen.

Merkels persönliche Werte sinken markant. Seehofers steigen. Auch die CDU sackt leicht ab. Im Frühjahr sind zwei Schlüsselwahlen für die CDU in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Die CDU-Vize Julia Klöckner macht in Rheinland-Pfalz schon Wahlkampf gegen Berlin. Guido Wolf lässt sich in Baden-Württemberg nach einem ersten Aufbäumen im Moment noch ausbremsen. Noch.

Kontakt Christoph Schwennicke ist Chefredakteur des Magazins "Cicero" und schreibt regelmäßig an dieser Stelle im Rahmen einer Kooperation. Ihre Meinung? Schreiben Sie dem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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