Kolumne Berliner Republik Der Eiertanz um Proporz im Wahlkampf

Berlin · Der ARD-Talk Anne Will hatte sich am Sonntagabend entschieden, die Parteien mal nicht nach Proporz einzuladen. Sofort startet eine Debatte: Dürfen die das? Ja, klar!

 Eva Quadbeck leitet die Parlamentsredaktion in Berlin.

Eva Quadbeck leitet die Parlamentsredaktion in Berlin.

Foto: Quadbeck

Die Auswahl von Talk-Gästen in Sendungen der öffentlich-rechtlichen Kanäle ist üblicherweise überraschungsarm gestrickt: einer von rechts, einer von links, ein Experte. Anne Will hatte am Sonntagabend den Mut, aus diesem Prinzip einfach mal auszubrechen. Bei ihr saßen mit den Fraktionschefs Volker Kauder (CDU) und Thomas Oppermann (SPD) zwei Vertreter der großen Koalition und mit den Spitzenkandidaten von FDP und AfD, Christian Lindner und Alice Weidel, zwei Vertreter der außerparlamentarischen Opposition.

Die Sendung gelang im Vergleich zu vielen anderen Sonntagabend-Talks recht erfrischend. Sie förderte indirekt auch zutage, dass die aktuelle Opposition im Bundestag mit Grünen und Linken ein viel zu enges Spektrum abbildet.

Doch schon während der Sendung begann die Kritikwelle in den sozialen Netzwerken an der Auswahl der Gäste. Am Ende sah sich die Moderatorin bemüßigt, darauf hinzuweisen, dass sie bis zur Bundestagswahl noch sieben Sendungen bestreiten möchte - auch mit Linken und Grünen.

Zur journalistischen Sorgfaltspflicht gehört dazu, in der Berichterstattung und in Talk-Sendungen den Sichtweisen und Vorhaben aller relevanten Parteien Raum zu geben. Doch können und müssen nicht in jeder Sendung, in jedem Artikel alle Positionen gegeneinander abgewogen werden. Ein solches Vorgehen wäre äußerst spröde und würde das Interesse an den politischen Inhalten eher ausbremsen.

Viel spannender war es, sich am Sonntagabend anzusehen, wie sich der FDP-Chef mit rhetorischem Geschick gegen die AfD abgrenzte und wie die Duz-Freunde Kauder und Oppermann sich aufführten wie ein altes Ehepaar, das nicht weiß, ob es sich nun scheiden lassen will oder nicht. Einzig bei der AfD stellt sich die Grundsatzfrage, ob ihre Vertreter in die üblichen Talk-Formate integrierbar sind. Häufig kostet die Aufarbeitung der sachlich falschen Behauptungen der AfD-Vertreter so viel Zeit, dass sie vielfach die politischen Debatten abwürgen und die AfD mehr im Mittelpunkt steht, als es dem Thema angemessen ist. Alice Weidel schwieg in dieser Sendung über einen längeren Zeitraum und beschränkte sich nur darauf, ihre vorbereiteten rhetorischen Attacken zu fahren.

So brach die Sendung auch in puncto Redezeit aus dem häufig so zähen Konzept aus, möglichst allen Gästen den gleichen Anteil einzuräumen. Das Stoppen von Minuten jedenfalls, wie es uns wahrscheinlich beim Duell Merkel-Schulz wieder bevorsteht, schadet der Debatte.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(qua)
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