Rede auf Klimagipfel in Bonn Merkel setzt auf weniger Kohlestrom

Bonn/Berlin · Union, FDP und Grüne stehen bei ihren Jamaika-Sondierungen vor der Nacht der Entscheidung. Bis zuletzt sind die großen Themen Klima und Migration völlig ungeklärt. Die Kanzlerin sendet aus Bonn ein Signal nach Berlin.

 Das Kohlekraftwerk in Neurath (Archiv).

Das Kohlekraftwerk in Neurath (Archiv).

Foto: MREU

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat von der Weltklima-Konferenz ein Signal an die Jamaika-Unterhändler in Berlin zur Einhaltung der Klimaschutzziele durch Verzicht auf Braunkohle gesendet. Allerdings ließ sie in ihrer Rede am Mittwoch in Bonn Art und Umfang offen. Sie betonte, alle EU-Staaten müssten ihren Beitrag dazu leisten, in einem ersten Schritt den Treibhausgas-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Sie räumte ein: "Jetzt, am Ende des Jahres 2017, wissen wir, dass dazu noch ein ganzes Stück fehlt."

Die Kanzlerin fügte hinzu, auch im reichen Deutschland gebe es erhebliche Konflikte in der Gesellschaft. Es gehe um soziale Fragen, Arbeitsplätze und Bezahlbarkeit von Energie. Das spiele in den Sondierungsverhandlungen über eine Koalition von Union, FDP und Grünen eine zentrale Rolle. Deutschland verwende in hohem Maße Kohle, deshalb müsse die Braunkohle auch einen "Beitrag leisten". Die CDU-Vorsitzende sicherte dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron volle Unterstützung für das Pariser Klimaschutzabkommen zu, aus dem die USA aussteigen wollen. Macron sagte: "Wenn wir keine klaren Zeichen setzen, werden wir die Ziele nie erreichen."

 Kanzlerin Angela Merkel begrüßt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Bonn.

Kanzlerin Angela Merkel begrüßt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Bonn.

Foto: ap, FO

Die Stilllegung von mehreren Kohlekraftwerksblöcken kann nach Auffassung der Bundesnetzagentur die Stromversorgungssicherheit in Deutschland sogar stärken. Das geht aus einem dreiseitigen Papier der Netzagentur und des Bundeswirtschaftsministeriums hervor, das am Mittwoch bekannt wurde. Demnach hat ein Großteil der Kohlekraftwerke heute eine belastende Wirkung auf das Netz.

Der Grund: Bei starkem Wind hat der Windstrom Einspeisevorrang, bei gleichzeitiger Kohleverstromung sind die Netze dann schnell überlastet. Die Versorgungssicherheit wäre auch gewährleistet, wenn 2020 eine Kapazität von sieben Gigawatt an Kohlekraftwerken stillgelegt würden. Dies entspricht der Leistung von 14 Kraftwerksblöcken.

Die Grünen fordern, 20 Braunkohle-Kraftwerke vom Netz zu nehmen, um das Klimaschutzziel einzuhalten. Union und FDP lehnen das bisher ab. Nach inoffiziellen Angaben hatten sie angeboten, eine Leistung von drei bis fünf Gigawatt vom Netz zu nehmen, was einem Volumen von zehn Kraftwerksblöcken entspricht.

Der Chef der Industriegewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, forderte die Einrichtung einer Kommission, die Zukunftsperspektiven für die vom Kohleausstieg betroffenen Regionen im Rheinland und in der Lausitz erarbeiten soll. Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sagte unserer Redaktion: "Wenn es sich ergibt, dass durch alle anderen Maßnahmen die Reduktion des CO2-Ausstoßes um 40 Prozent nicht zu erreichen ist, dann können wir eine möglichst marktkonforme und schrittweise Stilllegung von Kohlekraftwerken nicht außer Betracht lassen." Allerdings wäre sie eher bereit, das Ziel zu verfehlen und etwa nur 38 Prozent zu erreichen, als die Grundlage des Wohlstands in Deutschland durch eine "unsichere und überteuerte Energieversorgung aufs Spiel zu setzen". Sollte in der Nacht zu Freitag kein Durchbruch für Jamaika gelingen, wird es ihrer Ansicht nach keine Verlängerung geben.

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) warb um Kompromissbereitschaft: Für die Grünen habe der Klimaschutz eine hohe Bedeutung, für die FDP die Steuerentlastung und für die Union die innere Sicherheit und Migration. "Wir müssen uns alle bewusst sein, dass die Bürger eine Einigung erwarten. Deutschland braucht in absehbarer Zeit eine neue handlungsfähige Regierung. Schon die internationalen Herausforderungen sind zu groß, dass eine längere Phase des politischen Stillstands akzeptabel wäre." Die Gespräche würden sehr schwierig. "Dennoch bin ich zuversichtlich, dass wir am Ende zu einem positiven Ergebnis kommen."

(kd, mar, qua)
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