Kabinettsklausur in Meseberg Große Koalition setzt auf Teambuilding, ohne Ergebnisse

Meseberg · Das neue Kabinett war erstmals in Klausur. In Meseberg haben CDU, CSU und SPD getagt. Doch wann etwa das versprochene Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit kommt oder wie der Familiennachzug geregelt werden könnte? Ergebnisse dazu gibt es nicht.

 Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Olaf Scholz in Meseberg.

Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Olaf Scholz in Meseberg.

Foto: rtr, BSP/

Der Finanzminister ist sparsam. Jedenfalls mit Worten. Olaf Scholz sagt kein Wort mehr als nötig. Und was der SPD-Mann von sich gibt, formuliert er möglichst unkonkret. Etwa, dass die Entwicklung der Welt von Bedeutung für Deutschland sei und dass Europa und die Zukunft der Arbeit zu den wichtigsten Themen gehörten. Ach ja, und wie wichtig es für ihn sei, als Finanzminister sagen zu können, dass sie das schon hinkriegen würden mit einer soliden Haushaltsführung und der schwarzen Null.

Wer hätte das gedacht, möchte man am liebsten spotten, während der Vizekanzler da neben Kanzlerin Angela Merkel vor den Flaggen der EU und Deutschlands steht und mit ihr von der ersten Kabinettsklausur der neuen großen Koalition in Meseberg bei Berlin berichtet.

Interessierte Bürger, die es trotz des holprigen Starts von CDU, CSU und SPD in die neue Regierung immer noch gibt, erfahren nicht, wann etwa das versprochene Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit kommt oder wie der Familiennachzug geregelt oder die Dieselkrise gelöst werden könnte. Denn: Es gibt keine Ergebnisse.

Es wurde sogar gelacht

Merkel, gesundheitlich hörbar angeschlagen, sagt, Ziel der Klausur sei gar nicht gewesen, die Vorhaben detailliert zu planen oder ganz konkrete Beschlüsse zu fassen. Vielmehr hätten sich die vielen neuen Ministerinnen und Minister erst einmal kennenlernen und "Arbeitsfähigkeit" herstellen sollen. Und sie hätten sich "von außen her" sagen lassen, was die Erwartungen an die neue Regierung seien.

Das mag jene überraschen, die sich an die schlechten Wahlergebnisse aller drei Regierungsparteien bei der Bundestagswahl vor fast sieben Monaten ganz gut erinnern oder die mühsamen Koalitionsverhandlungen aufmerksam verfolgt haben. Von außen her ist es da eine Überraschung, dass DGB-Chef Reiner Hoffmann, Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer, EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in das Barockschloss kommen müssen, um ihre Erwartungen noch einmal deutlich zu machen.

Auch dass Merkel betont, die Ministerriege habe "die gesamte Breite der Koalitionsvereinbarung akzeptiert", und alle seien sich bewusst, dass darüber hinaus unvorhergesehene zusätzliche Anforderungen gemeinsam gelöst werden sollen, wirft eine Frage auf. Nämlich: Was denn sonst? Sonst wäre diese Koalition doch schon vier Wochen nach Vertragsunterzeichnung am Ende.

Damit die Atmosphäre aber gut wird, wurde diese Kabinettsklausur einberufen - zum "Teambuilding". Handy-Nummern wurden ausgetauscht, Rotweingläser ausgetrunken, und es wurde sogar gelacht, sagen Teilnehmer. Merkel und Scholz melden Vollzug: Der Wille zur Einigung sei da und der Geist gut.

"Jeder hat genug Arbeit"

Ein Machtwort angesichts des ganzen Gezänks in der von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angezettelten Diskussion etwa um Mängel bei Recht und Ordnung im Land oder die von Innenminister Horst Seehofer (CSU) neu entfachte Debatte über den Islam habe Merkel nicht gesprochen, verlautet später.

Sie habe wieder ihre ganz eigene Strategie gefahren: Vier Leute "von außen her" eingeladen, damit alle schwer beschäftigt sind und es erst gar nicht zu Zoff kommen kann. Seehofer sei "sehr geschmeidig", Spahn "schweigsam" gewesen - und die Stimmung super.

Einen kleinen Seitenhieb wird Merkel aber doch noch los: Es sei deutlich geworden, dass alle Mitglieder des Kabinetts "sehr willig sind, sehr freudig sind, die Aufgaben anzunehmen und umzusetzen", sagt Merkel. "Aber es ist auch deutlich geworden, dass wir eine wirklich große Masse an Beschäftigung haben, das heißt, jeder hat genug Arbeit. Da bleibt nicht viel Zeit für anderes."

Heißt etwa: Spahn soll mal die Füße still halten und sich statt um Recht und Ordnung lieber um sein eigenes Gesundheitsministerium kümmern. Darauf, dass es auch künftig Streit geben wird, stimmt Merkel die Bürger so ein: "Wir werden Debatten haben." Unterschiedliche Persönlichkeiten, unterschiedliche Parteien, unterschiedliche Positionen. Das bedeute, "dass wir nicht alle morgens aufwachen und immer die gleichen Gedanken haben".

Als Merkel, deren Ansicht nach der Islam zu Deutschland gehört, gestern Morgen aufwachte, hörte sie erst einmal im Radio wieder Neues von der CSU über den Islam. Aber Scholz verspricht: "Teambuilding gelungen. Der Rest kommt jetzt." Das dürfte ein ziemlich großer Rest werden.

(kd)
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