Wirbel um Spähaffäre "Prism" Jusos zeigen Pofalla wegen Landesverrats an

Cloppenburg · Sechs Wochen nach den ersten Enthüllungen über das US-Spähprogramm "Prism" haben die Jusos im niedersächsischen Cloppenburg Strafanzeigen wegen Landesverrats gestellt.

Wer hört wen ab - und was man dagegen tun kann
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Foto: dpa, Jens Büttner

Sechs Wochen nach den ersten Enthüllungen über das US-Spähprogramm "Prism" haben die Jusos im niedersächsischen Cloppenburg Strafanzeigen wegen Landesverrats gestellt.

Aufgrund des aktuellen "Datenskandals" seien von der SPD-Jugendorganisation Anzeigen gegen Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU), den Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes, Gerhard Schindler, und den Direktor des US-Geheimdienstes NSA, Keith Brian Alexander, eingereicht worden, sagte am Freitag ein Sprecher der Polizei Cloppenburg. Wie in solchen Fällen werde die Anzeige nun an die Staatsanwaltschaft Oldenburg weitergeleitet, die routinemäßig ein Ermittlungsverfahren prüft.

Unterdessen tappt die Bundesregierung weiter überwiegend im Dunkeln. Die Aufklärungsarbeit dauere an, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in ihrer traditionellen Sommerpressekonferenz am Freitag in Berlin. Sie pochte zugleich darauf, dass auf deutschem Boden deutsches Recht einzuhalten sei und kündigte konkrete Schritte zu einem besseren Schutz der Bürger an.

"Wir prüfen, ob es die Spitze des Eisbergs ist oder weniger oder noch anders", sagte Merkel. Sie könne "nur zur Kenntnis nehmen", dass die USA trotz entsprechender Zusagen von Präsident Barack Obama "noch Zeit für die Prüfung brauchen". Zur Frage, ob das vor wenigen Tagen bekannt gewordene "Prism"-Programm in Afghanistan mit dem seit Wochen diskutierten "Prism" des US-Geheimdienstes NSA identisch ist, konnte Merkel nichts sagen. Es sei ihr derzeit "völlig unmöglich", eine Analyse von "Prism" vorzunehmen.

Der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden hatte die Existenz des Überwachungsprogramms "Prism" enthüllt, mit dem der NSA nach seinen Angaben massenhaft Internetdaten auch von deutschen Bürgern sammeln soll. Zwei Monate vor der Bundestagswahl steht die Bundesregierung unter starkem öffentlichen Druck. Ihre bisherigen Aufklärungsbemühungen halten nach dem am Freitag veröffentlichten Deutschlandtrend des ARD-"Morgenmagazins" zwei Drittel der Bürger für unzureichend.

Merkel pocht auf Einhaltung der Gesetze

Mit Blick auf die Bündnispartner pochte Merkel auf Einhaltung deutscher Gesetze. "Deutschland ist kein Überwachungsstaat, Deutschland ist ein Land der Freiheit." Sie erinnerte an die Terroranschläge vom 11. September 2001 als Auslöser verstärkter Sicherheitsmaßnahmen, mahnte aber zugleich, der Zweck heilige nicht die Mittel. "Nicht alles, was technisch machbar ist, darf auch gemacht werden."

Merkel nannte acht Schlussfolgerungen der Bundesregierung aus der Spähaffäre, darunter weitere Aufklärungsgespräche mit den USA und die Entwicklung gemeinsamer Standards zur Tätigkeit von Auslandsnachrichtendiensten. Die Bürger müssten künftig besser darüber informiert werden, dass Datenströme oft deutsches Hoheitsgebiet verließen und "bestimmter Schutz außerhalb der deutschen Grenzen nicht gewährleistet werden kann". Sie verwies zugleich auf eine deutsch-französische Initiative, so rasch wie möglich auf EU-Ebene zu gemeinsamen Datenschutzstandards zu gelangen.

Die Opposition kritisierte den Auftritt der Kanzlerin scharf: Merkels Ankündigungen seien nichts als "Nebelkerzen", erklärte Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck in Berlin. Die Kanzlerin habe für Datenschutz und Bürgerrechte nichts gemacht, "außer sie einzuschränken oder in Brüssel strengere Datenschutzregeln zu verhindern".

"Außer Ankündigungen hat die Kanzlerin keine Antworten, sie gibt die Ahnungslose", kritisierte auch Linken-Chefin Katja Kipping. Merkel mache Deutschland "zum Bittsteller gegenüber den USA", statt deutlich einen Stopp der Überwachung zu fordern. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier forderte in der "Bild"-Zeitung ein "klares Nein zu systematischen Verletzungen von Bürgerrechten".

NSA-Chef Keith Alexander reagierte indes kühl auf das Erstaunen der deutschen Öffentlichkeit über das Ausmaß der Ausspähung. "Wir sagen ihnen nicht alles, was wir machen oder wie wir es machen - aber jetzt wissen sie es", sagte Alexander am Donnerstag auf die Frage eines ZDF-Reporters auf einem Sicherheitsforum im US-Bundesstaat Colorado.

(dpa/AFP)
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