Juso-Chef in Duisburg Kühnert will keine "umfrageorientierte Politik" mehr

Duisburg · Juso-Chef Kevin Kühnert spricht seinen Parteifreunden in Duisburg Mut zum Widerstand gegen die Groko zu. Man solle nicht weiter umfrageorientiert Politik machen, fordert er.

 Der Juso-Bundesvorsitzende Kevin Kühnert (M.) und der hessische SPD-Landesvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel (l.) bei einer Veranstaltung am Freitag in Recklinghausen. Danach ging es weiter nach Duisburg.

Der Juso-Bundesvorsitzende Kevin Kühnert (M.) und der hessische SPD-Landesvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel (l.) bei einer Veranstaltung am Freitag in Recklinghausen. Danach ging es weiter nach Duisburg.

Foto: dpa, bt lof

Henrik Lambertz steht im Lager der Unentschlossenen. Der 20-Jährige Juso aus Düsseldorf ist nach Duisburg gefahren, um Argumente zu hören. Argumente, die ihm helfen die richtige Entscheidung zu treffen. Für oder gegen eine Neuauflage der großen Koalition.

Henrik ist einer von mehreren hundert Genossen, die gekommen sind, um den Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert zu hören, den wohl schärfsten innerparteilichen Gegner einer neuen großen Koalition. Und nach dem Willkommensapplaus und Jubel zu urteilen, sind die meisten hier auf Kühnerts Seite.

"Wir dürfen nicht weiter umfrageorientiert Politik machen und dahin laufen, wo die Mehrheit steht", spricht Kühnert seinen Parteifreunden Mut zum Widerstand zu. Die Gemeinsamkeiten mit der Union in einer großen Koalition seien aufgebraucht.

Niemand solle sich weismachen lassen, dass Chaos ausbreche, wenn die SPD-Mitglieder mehrheitlich gegen die Groko stimmten. Es gebe keinen Automatismus für Neuwahlen, die Verfassung schreibe genau vor, was dann zu geschehen habe. Auch dass die AfD entscheidend gestärkt würde, hält Kühnert für unrealistisch.
Die aktuell niedrigen Umfragewerte von nur noch 16 Prozent für die SPD haben Kühnert zufolge mit der No-Groko-Debatte nichts zu tun, sondern seien die Quittung für die letzten 20 Jahre.

Am Samstag findet die erste der sieben Regionalkonferenzen in Hamburg statt, mit denen die SPD-Führungsspitze um Andrea Nahles und Olaf Scholz die SPD-Basis überzeugen will. Die über 400.000 Mitglieder sind bis zum 2. März aufgerufen, über die Groko abzustimmen. Am 4. März soll das Ergebnis verkündet werden.

Kühnert übt erneut scharfe Kritik am Koalitionsvertrag. Sehr viele wichtige Fragen, bei denen es unüberbrückbare Differenzen mit der Union gebe, etwa das Thema Rente, würden auf später verschoben, in Kommissionen und Evaluierungsaufträge verlagert.

Das will Ulrich Kelber, der auf dem Podium die Pro-Groko-Seite vertritt, so nicht stehen lassen. Der Bundestagsabgeordnete verweist darauf, dass die SPD gerade durchgesetzt habe, die Rentenuntergrenze einzufrieren. Auch Evaluierungen seien nicht per se zu verurteilen: Bei vielen Themen, etwa bei Landärzten, sei eine empirische Grundlage wichtig, um die richtigen politischen Entscheidungen zu treffen.

Ähnlich weit liegen Kühnert und Kelber beim Thema sachgrundlose Befristungen auseinander. Aus Sicht des 28-Jährigen ist der erzielte Kompromiss im Koalitionsvertrag vielleicht am Ende sogar schädlich, weil es durch die Verkürzung befristeter Verträge von 24 auf 18 Monate noch weniger Planungssicherheit gebe. Aus Sicht von Kelber hingegen wurde mit der Einschränkung von Kettenverträgen viel erreicht.

So geht es eine Weile hin und her. Inhalte stehen im Vordergrund, nur am Rande blitzen hier und da die Themen der vergangenen Tage auf. Etwa die angeblichen Mails nach Russland, die Kühnert laut "Bild"-Zeitung geschrieben haben soll, um Unterstützung für seine No-Groko-Kampagne zu bekommen. Kühnert dementiert scharf, es handele sich um Fake-Mails, die SPD habe Anzeige gegen Unbekannt erstattet.

Auch die Personalquerelen der vergangenen Tage spielen kaum eine Rolle. Noch vor Beginn der Veranstaltung hatte Kühnert die Richtung vorgegeben: "Alle sollen ihr Ego jetzt mal ein Stück weit zurückstellen."

(kib)
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