Julia Klöckner im Interview "Uns entgeht zu oft, was die Bürger beschäftigt"

Düsseldorf · Die Vize-Chefin der Christdemokraten fordert von ihrer Partei, stärker auf die Alltagssorgen der Menschen zu schauen.

Julia Klöckner im Interview: "Uns entgeht zu oft, was die Bürger beschäftigt"
Foto: dpa, fve lof

Frau Klöckner, was bedeutet es für Deutschland und für die CDU, dass Merkel eine vierte Kanzlerschaft anstrebt?

Klöckner Angela Merkel steht für Stabilität, Verlässlichkeit und Bedachtsamkeit. Sie ist eine Regierungschefin, die nicht hektisch, sondern abwägend reagiert. Sie hat uns mit ihrer Gradlinigkeit und Unaufgeregtheit sehr sicher durch die Finanz- und Wirtschaftskrise geführt. Merkels Stärke ist es, auch in schwierigen Zeiten, ruhig und klar zu bleiben. Ich arbeite gerne mit ihr und freue mich auf den anstehenden Bundestagswahlkampf mit unserer Spitzenkandidatin.

Was ist der wichtigste Punkt im Leitantrag für den CDU-Parteitag, mit dem die Union Vertrauen in der Bevölkerung zurückgewinnen will?

Klöckner Wichtig ist, dass wir die Themen des Alltags ansprechen, die die Leute umtreiben. Wir reden viel über die Weltgeschehnisse, über Afrika und über Europa. Dabei entgeht uns allzu oft, dass wir auch das thematisieren, was die Bürger in der Eifel, an der Küste oder im Ruhrgebiet beschäftigt. Da geht es um Schulen, um die Ausstattung von Kommunen, um Sicherheit und um die Frage, wie die Familien über die Runden kommen oder die Pflege der Eltern stemmen. Daher wollen wir auch ein steuerliches Familiensplitting einführen, für Eltern mit Kindern. Kurz gesagt: Die Alltagssorgen und die Entlastung der Mitte sind für uns zentral.

Ist das eine Art "Wir haben verstanden"-Leitantrag?

Klöckner Die meisten Politiker sind vor Ort und kennen die Probleme, die das Leben mit sich bringt. Die Bürger wollen zurecht, dass wir nicht nur über Flüchtlinge, sondern auch über die reden, die im gewöhnlichen Alltag ihren Mann, ihre Frau stehen müssen. Komplexe Lagen werden nicht mit einfachen Antworten und Schlagzeilen gelöst. Auf die Balance kommt es an. Beispiel Integration: Wir werben für Offenheit, positionieren uns aber ganz klar für Recht, Gesetz und Ordnung, an die sich alle halten müssen.

Die CDU fordert ein Verbot der Vollverschleierung in Behörden und vor Gericht. Reicht das aus?

Klöckner Das ist ein richtiger Schritt. Ich halte es aber für noch zu unklar. Bei der Vollverschleierung geht es um drei Punkte: Die Rechte der Frau, das Thema Integration und um die Interaktion im Umfeld. Die Rechte der Frau können nicht nur auf dem Amt gelten. Sie muss ihre Identität überall frei zeigen können. Wenn ein Mann den Anblick einer Frau nicht ertragen kann, soll er sich eine Augenbinde nehmen und nicht sie zur Vollverschleierung zwingen.

Eva Quadbeck führte das Interview.

(qua)
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