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Analyse zu Antisemitismus Judenfeindlichkeit in Deutschland nicht nur importiert

Berlin/Düsseldorf · Die Verbrennung israelischer Flaggen und jüdischer Symbole durch Muslime hat die deutsche Öffentlichkeit aufgeschreckt. Dabei ist Judenhass zwar unter Migranten verbreitet, die allermeisten Straftaten begehen aber Rechtsextreme.

Wenn die arabische Welt wegen Israel in Aufruhr gerät, sind häufig Juden weltweit Zielscheibe des Hasses der Muslime. Unterschiede zwischen Israel und Juden werden kaum gemacht. Fatal werden die Hassausbrüche, wenn sie in Deutschland geschehen und Juden, die hier leben, in Mithaftung für die Politik in Israel genommen werden.

Als jetzt bei anti-israelischen Protesten in Berlin Israel-Flaggen und Davidsterne verbrannt wurden wegen der US-Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt, war die Empörung unter deutschen Politikern einschließlich Kanzlerin Angela Merkel groß. Die grassierende Judenfeindschaft unter muslimischen Migranten wurde zum großen Thema.

Die Zahl der antisemitischen Straftaten ist in den vergangenen Jahren gestiegen, das belegen etwa Statistiken des NRW-Verfassungsschutzes. 2015 gab es 270 solcher Straftaten, 2016 waren es 297. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres waren es 138. Was die Statistik allerdings nicht belegt, ist, dass die Straftaten zunehmend von Muslimen verübt werden. Richtig ist: 95 Prozent der 297 antisemitischen Straftaten im Jahr 2016 hatten einen rechtsextremen Hintergrund. Die übrigen fünf Prozent entfielen meist auf "Dummejungenstreiche", heißt es aus Kreisen des Verfassungsschutzes.

Kritik an Israel nicht gleich Judenhass

Eine antisemitische Haltung muss sich freilich nicht immer in Straftaten manifestieren. Sie versteckt sich oftmals hinter einer Israel-Kritik. Das beleuchtet auch eine aktuelle Studie des hessischen Verfassungsschutzes. Für die Untersuchung wurden 7000 Kommentare von Nutzern sozialer Medien zu den Themenbereichen "Juden und Judentum", "Israel und Nahostkonflikt" sowie "Antisemitismus" ausgewertet.

Bei Artikeln oder Videos zum Thema "Juden und Judentum" hielten sich die antisemitischen Kommentare von muslimischen und rechten Nutzern den Angaben zufolge in etwa die Waage. Die antisemitischen Kommentare im Themenfeld "Israel und Nahostkonflikt" seien dagegen überwiegend mit muslimischem Hintergrund geschrieben worden. Und bei Medienbeiträgen, die sich ausschließlich mit dem Antisemitismus beschäftigen, hatten die meisten antisemitischen Kommentare einen rechten Hintergrund.

Kritik an Israel bedeutet nicht gleich Judenhass. "Grundsätzlich ist es legitim, die israelische Politik, israelische Politiker oder das israelische Militär zu kritisieren. Aber es gibt Grenzen, die zum Teil überschritten werden", sagt Juliane Wetzel, Wissenschaftlerin am Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.

Wenn Antisemitismus zum Alltag gehört

Es komme sehr darauf an, wer was wo mit welchem Hintergrund und mit welcher Absicht sagt. "Wenn zum Beispiel ein Schüler auf dem Schulhof zu einem anderen ,Du Jude' sagt, dann ist dieser Jugendliche nicht gleich ein Antisemit", sagt Wetzel. Ein Junge, der so etwas sage, wisse oft gar nicht, was er da tue.

Die Politik jedenfalls ist sehr besorgt und warnt eindringlich vor importiertem Antisemitismus als Folge der Einwanderung aus muslimischen Ländern. Justizminister Heiko Maas (SPD) verlangte, dass der Holocaust zwingend Prüfungsthema von Integrationskursen wird.

Flüchtlinge müssten um die deutsche Geschichte wissen, sagte Maas dem "Spiegel". CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn sagte dem Nachrichtenmagazin, anders als in Westeuropa, wo Antisemitismus geächtet sei, sei er in einer Reihe muslimischer Länder "omnipräsenter Teil des Alltags".

Fahrlässige Unterstellungen

Im Kern ist diese These richtig. Vor allem in Syrien oder dem Irak, zwei Ländern, aus denen viele Flüchtlinge kamen, gehört Judenhass zur Staatsdoktrin. Der Potsdamer Antisemitismusforscher Günther Jikeli ermittelte jüngst in einer Studie für das Berliner Büro des American Jewish Committee aus Gruppeninterviews mit 68 Flüchtlingen, dass "antisemitische Denkweisen und Stereotype" weit verbreitet seien.

Allerdings würden die Einstellungen nicht zu physischen Drohungen und offenem Judenhass führen. Angesprochen auf Unterschiede zwischen Israel und Juden, äußerten auch viele, dass Christen, Juden und Muslime friedlich zusammenleben sollten.

Es wäre daher fahrlässig, all jenen Menschen, die in den vergangenen Jahren aus Furcht vor Terror ihre Heimatländer verließen, an kalten Tagen im Matsch an der serbischen Grenze ausharrten oder in provisorischen Booten über das Mittelmeer flüchteten, grundsätzlich zu unterstellen, gewalttätige Antisemiten zu sein.

Von Ditib bislang kein Kommentar

In erster Linie wollen diese Menschen selbst wieder Frieden erleben, sie kommen nicht, um Anhänger anderer Religionen zu diskriminieren. Gleichwohl müssen alle Einwanderer wissen, dass sie hierzulande mit Konsequenzen zu rechnen haben, wenn sie die Existenz Israels infrage stellen und gegen Juden hetzen.

Die Islamverbände nehmen hierbei als Sprachrohr der Muslime eine entscheidende Rolle ein. Kurz nach den muslimischen Demonstrationen in Berlin teilte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, mit: "Wer für Recht und Gerechtigkeit für die Palästinenser demonstriert, mag das tun. Wer aber gleichzeitig zur Gewalt gegen Juden aufruft, ist klar zu verurteilen und hat sein Demonstrationsrecht verwirkt." Eine Stellungnahme des mit Abstand größten Islamverbands, der deutsch-türkischen Ditib, gibt es bislang nicht.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan sagte am Freitag in einer Videobotschaft an Demonstranten im zentralanatolischen Konya: "Wir sind Muslime, wir können keine Rassisten, Diskriminierende oder Antisemiten sein." Kritik an Israel übte Erdogan dann aber doch, als er dem Land (mal wieder) "Staatsterror" vorwarf. Derlei Rhetorik hilft natürlich niemandem.

(RP)
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