Interview mit NRW-Umweltminister Remmel "Merkels Gang zur CSU war ein Akt der Stärke"

Halle · Nordrhein-Westfalens Umweltminister Johannes Remmel spricht im Interview über die Kanzlerin, die Asylpolitik der Grünen, die kommenden Landtagswahlen und die Aussichten für Schwarz-Grün 2017.

 NRW-Umweltminister Johannes Remmel.

NRW-Umweltminister Johannes Remmel.

Foto: dpa, Kay Nietfeld

In vier Monaten sind in drei Ländern Landtagswahlen, auch in Baden-Württemberg, wo Winfried Kretschmann wieder Ministerpräsident werden will. Wie sehr stehen die Grünen hinter ihm?

Remmel Für die Grünen ist wichtig, dass der Ministerpräsident einen erneuten Auftrag von den Bürgerinnen und Bürgern bekommt, weil er eine gute Politik für Baden-Württemberg macht. Es würde dem Land, das Jahrzehnte unter der CDU gelitten hat, nicht guttun, wenn es nach fünf Jahren zu ihr zurpückkehren müsste. Kretschmann hat sich hier in Halle als Staatsmann präsentiert. Die Beschlüsse des Parteitags - wir lehnen etwa das neue Asylpaket der großen Koalition ab - stellen seine Politik in Baden-Württemberg nicht infrage. Im Gegenteil: Dieser Parteitag zeigt, dass die Grünen die Spannung zwischen programmatischem Wollen und realer Politik aus Verantwortung gut aushalten können.

Wie wird sich Nordrhein-Westfalen zum neuen Asylpaket im Bundesrat verhalten?

Remmel Die Grünen in NRW lehnen das neuerliche Asylpaket ab. Das ist reine Symbolpolitik, derzeit ohne jede praktische Wirkung. Über das konkrete Abstimmungsverhalten von NRW im Bundesrat entscheidet auf der Grundlage konkreter Texte das Kabinett. Unsere Haltung dazu ist klar.

Viele Redner in Halle haben die Kanzlerin gelobt. Sind Sie auch begeistert von Frau Merkel?

Remmel Das hält sich in Grenzen. Die Bundeskanzlerin ist verantwortlich für die Politik der großen Koalition und damit für die derzeitige Isolation Deutschlands in Europa. Was Herr Schäuble in der Griechenland-Krise gemacht hat, hat uns in Europa keine Freunde gemacht. Zur Zeit könnten wir dringend Freunde gebrauchen, wenn es darum geht die Flüchtlingspolitik europäisch zu gestalten. Sich jetzt verzweifelt mit Herrn Erdogan zu treffen, ist keine planvolle Politik, sondern ein Offenbarungseid. Dass die Kanzlerin zu ihren Prinzipien steht und das jetzt auch bei der CSU in die Höhle des Löwen vertreten hat, sehe ich aber als Akt der Stärke.

Heißt das, die Chancen für Schwarz-Grün 2017 sind gestiegen?

Remmel Weder sind sie gestiegen noch gesunken. Ich sage: Hört auf mit den Farbendiskussionen! Wir müssen dafür werben, aus der Position der Stärke und Eigenständigkeit, dass grüne Politik für Ökologie, Klimaschutz, Integration und Europa in der Regierung für unserer Land besser ist. Und dann entscheiden wir, mit wem das am besten geht.

Die Energiepolitiker Robert Habeck und Oliver Krischer stellen das bisherige Ausbauziel für die erneuerbaren Energien beim Strom infrage. Die Erneuerbaren könnten nicht bis 2030 100 Prozent des Strombedarfs decken, weil gleichzeitig die anderen Sektoren, etwa der Wärmemarkt und der Verkehr, einbezogen werden müssten. Unterstützen Sie das?

Remmel Ich teile die Analyse. Wir schauen viel zu wenig darauf, dass wir ohne Veränderungen im Wärmesektor, bei der Gebäudesanierung und beim Autoverkehr die Klimaziele nicht erreichen werden. Im Verkehr brauchen wir mehr Elektromobilität und das macht nur Sinn mit erneuerbarem Strom. Wir brauchen auch in diesen Bereichen einen Systemwechsel, der nur mit erneuerbaren Energien als Systemangebot durch Überwindung der Sektorgrenzen erfolgreich wird. In diese Richtung geht der Antrag von Habeck und Krischer. Er bedeutet richtig verstanden sogar eine deutliche Steigerung unserer bisherigen Ausbauziele in der Energie- und Klimapolitik.

Birgit Marschall führte das Gespräch

(mar)
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