Jens Spahn und Armin Laschet Innige Rivalen

Berlin/Düsseldorf · Jens Spahn und Armin Laschet sitzen beide für die CDU am Jamaika-Verhandlungstisch. Ihr Verhältnis gilt als kompliziert. Die Geschichte dahinter und die Frage nach ihrer Zukunft.

 Kompliziertes Verhältnis: Spahn, Laschet.

Kompliziertes Verhältnis: Spahn, Laschet.

Foto: red

Jens Spahn hat es der Parteiführung gerade so richtig gezeigt. Die Stimmung bei den Jüngeren ist bombig und bei der alten Garde mies. Der junge Christdemokrat aus dem katholischen Münsterland ist seinem NRW-Landesvorsitzenden Armin Laschet und der Bundesvorsitzenden Angela Merkel einfach nicht gefolgt. Er hat etwas riskiert - und gewonnen.

Es ist der 9. Dezember 2014, die 1001 Delegierten bestimmen beim CDU-Bundesparteitag in Köln die Spitzengremien neu. Erst wird Merkel mit 96,7 Prozent wieder zur Chefin gewählt, später ist das Präsidium dran. Dass mehr Bewerber antreten als Plätze vorhanden sind, kommt selten bei der CDU vor. Spahn ist nicht gesetzt, kandidiert aber trotzdem. Im zweiten Wahlgang wird er mit 66,2 Prozent gewählt. Eine demokratische Wahl mit Überraschungen. Für die CDU fast schon so etwas wie eine Rebellion.

Blockiert oder gefördert?

Spätestens dies ist der Beginn einer parteiinternen Geschichte von Misstrauen, Respekt, Konkurrenz und Machtanspruch - und von Spahns Plan für einen Weg nach ganz oben. In den Wochen der Jamaika-Verhandlungen in Berlin wird sich bald zeigen, was daraus wird. Wird er blockiert oder befördert? Das hängt von Merkel und Laschet ab. Beide wissen um seine Stärken. Aber Spahn kann kaum ein Mann ihres Vertrauens sein.

Und das kam so: Spahn verbaut 2014 in Köln Gesundheitsminister Hermann Gröhe, ebenfalls Nordrhein-Westfale, den Sprung ins Präsidium. Gröhe war Merkels Generalsekkretär und genießt ihr Vertrauen, so wie sie Laschet und er Gröhe vertraut. Aber nun sitzt Spahn im Präsidium. Laschets Autorität als CDU-Vize und Chef des größten Landesverbandes ist erst einmal angekratzt, Merkel tut es leid für Gröhe, und die Junge Union hat mit Spahn ein neues Vorbild.

Merkel muss aufpassen

Die Kanzlerin weiß seitdem, dass sie auf Spahn aufpassen muss. Sie hat ihn zwar 2015 zum Staatssekretär im Bundesfinanzministerium gemacht. Da war er gerade 35 Jahre alt. Aber der 1,92 Meter große Mann mit der Schuhgröße 49 will noch höher hinaus. Er hat für die Union die Gesundheitspolitik der großen Koalition ausgehandelt und für sein Geschick, seine Kompetenz und seine Hartnäckigkeit hohe Anerkennung in der Partei bekommen. Minister wurde dann aber Gröhe. Er sei ja noch so jung, hat Spahn oft gehört. Er sitzt aber schon seit 2002 im Bundestag. Insofern gehört er zu den Älteren.

Er will einfach nicht länger warten. Im Laufe der Jahre bezieht er immer wieder konservative Positionen, nach denen sich ein kleinerer Teil der Partei so sehnt, weil Merkel damit so gar nichts am Hut hat. Sie hält die CDU strikt auf Kurs in die Mitte der Gesellschaft. Spahn aber fordert ein Burka-Verbot, und auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise spricht er von einer "Art Staatsversagen". Gemeint ist Merkel. Im Sommer 2016 handelt die britische Zeitung "Guardian" ihn als nächsten Kanzlerkandidaten. Spahn hat Oberwasser. Er wittert seine Chance. Merkel ist durch die Flüchtlingskrise geschwächt.

Spahn greift zum Mikro

Und dann wieder ein Bundesparteitag. Wieder in NRW. In Essen, es ist der 7. Dezember 2016. Der Kongress ist fast zu Ende, als es um die Abstimmung zur doppelten Staatsbürgerschaft geht. Die Junge Union fordert, die sogenannte Optionspflicht wieder einzuführen, wonach sich Kinder von Ausländern zwischen dem 18. und 23. Lebensjahr zwischen der deutschen und der Staatsbürgerschaft ihrer Eltern entscheiden müssen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière warnt noch, das gehe nicht so einfach, weil es eine Vereinbarung mit dem Koalitionspartner SPD zum Doppelpass gebe.

Plötzlich geht Spahn, das Präsidiums- und Regierungsmitglied, überraschend ans Mikrofon und ruft: "Aber wir sind hier auf dem CDU-Bundesparteitag und reden darüber, was wir als Partei wollen." Die Delegierten beschließen daraufhin mit knapper Mehrheit die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft. Die Junge Union jubelt wieder. Merkel wartet ab, bis die Tagung beendet und die Nationalhymne gesungen ist. Dann stellt sie sich vor die Kameras und kündigt an, dass sie sich an diesen Parteitagsbeschluss nicht halten werde. Sie kocht. Und sie vergisst so etwas nicht.

Zu freundlich, zu nett?

Auch Laschet - das alles spielt sich ein halbes Jahr vor der NRW-Wahl ab - wirkt beschädigt. Als habe er seinen Laden und vor allem Spahn immer noch nicht im Griff. Zu dem Zeitpunkt sieht es nicht danach aus, dass Laschet gegen Hannelore Kraft (SPD) gewinnen und tatsächlich Ministerpräsident werden würde. Er gilt in der Partei als freundlich und nett, aber nicht sehr durchsetzungsstark. Den Hardlinern ist er einfach zu weich und zu links. Spahn macht kein Geheimnis daraus, dass er ihm den Landesvorsitz streitig machen wird, sollte er die Landtagswahl verlieren. Dann seien endlich die Jüngeren dran.

Laschet, einen Kopf kleiner und fast 20 Jahre älter als Spahn, hat mit ihm einen scharfen Konkurrenten im Nacken, den er irgendwie auf Abstand halten und sich dabei nicht verbiegen will. Er will einfach nicht auf Distanz zu Merkel gehen und scharfe Töne in der Flüchtlingspolitik anschlagen. Er ist überzeugt, die CDU gewinnt Wahlen nicht rechts. Was viele lange nicht für möglich hielten, tritt am 14. Mai dann ein: Laschet besiegt Kraft und wird Ministerpräsident. Damit hat er sich in der Partei gehörigen Respekt verschafft.

Eine andere Generation

Spahns Art empfinden viele aber als erfrischend. Er sei selbstbewusst, mutig, frech und schwul. Und cool. Zu Laschet könne man eben nicht sagen: "Armin, altes Scheißhaus, lass uns mal ein Bier trinken." Dafür könne Laschet nun wirklich nichts, aber der heute 56-Jährige sei eben eine andere Generation. Und mit dem Wahlerfolg in NRW auch eine Autorität - und Spahn so etwas wie ein Popstar.

Die einen sagen, Spahn fische am rechten Rand und setze sich zugleich für Minderheitenrechte, Gleichberechtigung von Schwulen und Frauen ein. Die anderen sagen, sie wüssten nicht, wofür Spahn genau stehe. Früher sei er wirtschaftsliberal gewesen, heute rechtskonservativ. Wieder andere halten ihn einfach nur für "mediengeil" und "vom Ehrgeiz zerfressen".

Sein Selfie mit dem jungen österreichischem ÖVP-Chef Sebastian Kurz direkt nach dessen Wahlsieg Mitte Oktober sei so ein Beispiel. "Seht her, hier steht die Zukunft Österreichs neben der Zukunft Deutschlands", heiße das, sagt ein CDU-Vorstandsmitglied. Eines Tages werde Spahn damit über sich selber stürzen. Denn er habe nur eine Agenda und die heiße: Jens Spahn. Viele halten ihn aber für ein "Riesentalent". Als konservative Stimme sei er für die CDU wichtig. Was nun?

Aussprache nach der NRW-Wahl

Es heißt, nach der NRW-Wahl hätten sich Laschet und Spahn ausgesprochen. Spahn habe dem Ministerpräsidenten versichert: "Du bist der Boss." Der 37-Jährige weiß, dass er es jetzt ohne das Wohlwollen des erstarkten Laschet schwerer haben würde. Aus Spahn werde nur etwas mit Laschets Zustimmung, verlautet aus Regierungskreisen. Einen Burgfrieden hätten die beiden geschlossen, sie gingen nun professionell miteinander um, wird erzählt. Es sei aber nicht sicher, ob sich Spahn daran halten werde und Laschet dem Frieden traue. Die beiden selbst wollen sich zu ihrem Verhältnis nicht äußern. Die Vorsitzende des NRW-Landesverbandes des "Freiheitlich-Konservativen Aufbruchs in der Union", Simone Baum, sagt: "Herr Laschet und Herr Spahn werden wohl keine Freunde mehr."

"iInhaltlich unbequem"

Die Erfahrungen auf den beiden Parteitagen sitzen bei Merkel und Laschet jedenfalls tief. Unabhängig davon wird die CDU im Kabinett nicht viele Plätze für Männer haben, da Merkel eine Frauenquote von 50 Prozent angekündigt hat. Zum Generalsekretär kann sie ihn nicht machen, wenn sie dabei bleibt, dass das ein hundertprozentiger Vertrauensposten ist. Gegenüber Vertrauten hat Spahn betont, er könne sich den Generalsekretärsposten unter ihr vorstellen, wenn er das Amt profilierter definieren dürfte, als es bisher der Fall ist. Er sei zwar "inhaltlich unbequem" gewesen, aber nie "illoyal" gegenüber Merkel. Er wäre aber auch gerne Wirtschaftsminister.

"Da kannste nicht meckern"

Und langfristig? Auf dem Weg ins Kanzleramt ist es förderlich, wenn man schon einmal eine Landtagswahl gewonnen hat. Insofern sei Laschet nun mit im Gespräch, sagt ein Vorstandsmitglied. Und immer wieder fällt dieser Name: Annegret Kramp-Karrenbauer, die im Frühjahr entgegen der Prognosen die Wahl im Saarland gewonnen hat. Spahn sitzt jetzt aber immerhin als Unterhändler für Finanzen in den Jamaika-Sondierungen, Laschet für Energie und Umwelt. Er habe sich bei Merkel für Spahn eingesetzt, heißt es. Den schwarz-gelben NRW-Koalitionsvertrag hatte Spahn noch nicht mit aushandeln dürfen. Und hält sich Spahn weiterhin für Merkels Nachfolger? Er schweigt.

Aber im Mai gab er dem "Zeit"-Magazin eine recht eindeutige Antwort. Auf die Frage, ob er als potenzieller Kanzlerkandidat 2021 heute schon mehr über eine Gegnerin Andrea Nahles oder einen Gegner Olaf Scholz auf SPD-Seite nachdenke, sagte er: "Was Sie sich alles ausmalen. Ich mag Olaf Scholz vom Typ her, der Hanseat kommt dem Westfalen ziemlich nahe. Wenn das Essen gut geschmeckt hat, sagt der: Da kannste nicht meckern. Ich kann mit Andrea Nahles gut auf der Regierungsbank rumschäkern. Also, alles prima."

(tor)
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