Aufregung im Bundestag CDU-Politiker liest Böhmermanns Schmähgedicht vor

Berlin · Ein CDU-Politiker aus Euskirchen hat im Bundestag für Aufregung gesorgt: Er las das umstrittene Erdogan-Schmähgedicht von Jan Böhmermann im Plenarsaal vor. Viele Abgeordnete reagierten entsetzt - und auch Böhmermann hat schon reagiert.

Detlef Seif überraschte seine Kollegen am Donnerstag im Bundestag.

Detlef Seif überraschte seine Kollegen am Donnerstag im Bundestag.

Foto: dpa, mkx lre sab

Mit Empörung haben zahlreiche Abgeordnete auf einen Redebeitrag ihres CDU-Kollegen Detlef Seif in der Debatte über den Satire-Fall Böhmermann reagiert. Der Jurist aus Euskirchen hatte in seiner Entgegnung auf Grüne und Linke das komplette "Schmähgedicht" des ZDF-Satirikers Jan Böhmermann über den türkischen Präsidenten vorgelesen.

Die Oppositionsfraktionen hatten zuvor Anträge vorgelegt mit dem Ziel, den sogenannten Majestätsbeleidigungsparagrafen im Zuge der Böhmermann-Affäre umgehend zu streichen - und nicht erst, wie von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) angestrebt, im Jahr 2018, also nach der Bundestagswahl. Seif (53), seit 2009 im Bundestag, versuchte deutlich zu machen, dass er die drastische Wortwahl Böhmermanns ebenso missbilligt wie Merkel.

"Ich wollte es eigentlich nicht, aber ich lese Ihnen das mal vor, damit man weiß, was ist denn hier eigentlich gesagt worden", so leitete der CDU-Mann seine "Lesung" ein. Hier würden Ressentiments bedient, eine Person werde "in ihrer Ehre ganz klar angesprochen", kritisierte Seif. Ob diese Ausdrucksweise noch von der Presse- und Meinungsfreiheit gedeckt sei, müsse die Justiz entscheiden. "Aber lassen Sie das mal in Gänze auf sich wirken, ohne Ansehen der Personen."

Streit um Paragraf 103

Aus dem Plenum waren während Seifs Rede mehrfach empörte Zwischenrufe wie "Unglaublich!" zu hören. Die Grünen-Politikerin Renate Künast bat den CDU-Kollegen, er solle "uns nachher mal verraten, was Sie geritten hat, das Gedicht jetzt hier zum Vortrag zu bringen". Der SPD-Abgeordnete Christian Flisek schloss sich der Einschätzung der Oppositionspolitikerin Künast an: "Sie hätten sich das Zitat schlichtweg sparen können", sagte er zu Seif.

Jan Böhmermann selbst amüsiert sich bei Twitter über den Vorgang und zitiert die Kanzlerin, die das Gedicht in einem Telefonat mit dem türkischen Ministerpräsidenten als "bewusst verletzend" bezeichnet hatte.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hatte zuletzt deutlich gemacht, dass er die wegen der Böhmermann-Affäre geplante Abschaffung des "Majestätsbeleidigungsparagrafen" vorantreiben will. Hintergrund ist die - auch in der schwarz-roten Koalition heftig umstrittene - Entscheidung Merkels, die deutsche Justiz zu Ermittlungen gegen den Satiriker wegen seines Gedichts über Erdogan zu ermächtigen - wie von der türkischen Regierung offiziell verlangt. Merkel hatte zugleich die Abschaffung von Paragraf 103 Strafgesetzbuch angekündigt, der eine Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter bestraft.

(csi/dpa)
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