Jamaika-Sondierungen Neuer Fahrplan - Ab Montag sollen die Chefs tagen

Berlin · Die Unterhändler bei den Jamaika-Sondierungen haben sich für Montag auf einen neuen Fahrplan verständigt. Vom späten Vormittag bis zum Nachmittag sei ein Cheftreffen geplant, bei dem je eine Stunde über die strittigen Themen Kommunen, Klima, Bildung, Innenpolitik und Familie gesprochen werden soll.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel kommt am Sonntag in Berlin zur einer weiteren Runde bei den Sondierungsverhandlungen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel kommt am Sonntag in Berlin zur einer weiteren Runde bei den Sondierungsverhandlungen.

Foto: dpa, mkx

So hieß es in Teilnehmerkreisen am Sonntagabend. Möglicherweise werde auch am Dienstag so vorgegangen, dann aber zu anderen Themen. Bei dem Treffen sollten demnach CDU-Chefin Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer, FDP-Chef Christian Lindner sowie die beiden Chefunterhändler der Grünen, Cem Özdemir und Katrin Göring- Eckardt und FDP-Chefunterhändler Wolfgang Kubicki dabei sein. Möglicherwesie dürfe jede Seite für jedes Fachthema noch je einen Experten dazuholen. Bislang war geplant, dass CDU, CSU, FDP und Grüne am Montag in einer erweiterten Runde tagen wollten.

Statements am Sonntagabend

Und eigentlich sollte es eine kleine, geheime Runde der Jamaika-Chefunterhändler am frühen Sonntagabend sein. Doch als Merkel und die anderen Teilnehmer die wartenden Journalisten sehen, sprechen sie dann doch ihre Einschätzungen in die Mikrofone. Der Druck wächst, endlich konkrete Ergebnisse zu präsentieren - doch an diesem Abend sollen nach dem Pokern der vergangenen Wochen einige Karten auf den Tisch gelegt werden.

Die Aufgabe heiße nun, Kompromisse zu finden, gibt Merkel die Losung aus. Und Grünen-Unterhändlerin Katrin Göring-Eckardt verlangt: "Ich erwarte, dass jetzt ein Ruck durch die Sondierer geht." Selbst der skeptische FDP-Chef Christian Lindner machte deutlich, dass die Chancen für Jamaika mittlerweile besser als 50:50 stünden.

Am Abend geht es dann auch ums Geld. Die Wunschliste der Jamaikaner von CDU, CSU, FDP und Grünen ist lang. "Soli"-Abbau 20 Milliarden Euro - pro Jahr. Entlastung kleinerer und mittlerer Einkommen (Mittelstandsbauch weg) bis zu 30 Milliarden. Ausweitung der Mütterrente 7 Milliarden. Bildung und Forschung inklusive Digitalisierung der Schulen 12 Milliarden. Höherer Kinderfreibetrag und Kindergeld 6 Milliarden - pro Jahr. Und so weiter.

Dazu kommen steigende Verteidigungsausgaben. Wenn die neue Bundesregierung die Zusagen an die Nato einhalten will, muss sie ihren Verteidigungsetat bis 2024 von derzeit 1,2 auf 2,0 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) anheben. Bisher fehlen bis zu 25 Milliarden bis zu diesem Ziel. Und der Brexit wird Deutschlands EU-Zahlungen auch noch zusätzlich belasten.

Auch wenn es keine 100-Milliarden-Wunschliste mehr sein sollte, wie sie Experten errechnet haben. Es reicht hinten und vorne nicht.

Spielraum von 30 Milliarden Euro

Für die gesamte Legislaturperiode von vier Jahren wurden bisher dank guter Konjunktur und sprudelnder Steuern finanzielle Spielräume von gut 30 Milliarden ausgemacht. Neue Schulden verbieten sich schon wegen der Verfassungsvorgaben. Und auf den Bund kommen neue Zahlungen zu. So muss er nach der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen von 2020 an den Ländern jährlich knapp 10 Milliarden Euro überweisen.
Der bisherige Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach schon Mitte des Jahres von einem Entlastungsvolumen von maximal 15 Milliarden Euro.

Dies war aber vor der Bundestagswahl und somit die Finanzplanung der großen Koalition von Union und SPD. Liberale und Grüne betonen nun, diese kann nicht Grundlage einer Jamaika-Koalition sein. Alles muss auf den Prüfstand. Kassensturz nennt man so etwas, und der wird regelmäßig mit viel Getöse angekündigt.

Aber wo kann da noch Geld umgeschichtet werden? Hier kommt immer wieder der Abbau unsinniger Subventionen ins Spiel. Aber in der Regel passiert hier wenig. Und vieles von dem, was die Jamaika-Unterhändler ins Auge gefasst haben, wurde von Schwarz-Rot schon angeschoben. Sei es bei Bildung und Forschung, beim Breitbandausbau, bei den Verkehrsausgaben oder bei Verteidigung und Entwicklung.

Verteidigungshaushalt soll steigen

Spielraum könnte es geben, wenn man die Ausgaben für Entwicklung zumindest teilweise bei den Verteidigungsausgaben anrechnen könnte.
Denn Entwicklungszusammenarbeit kann durchaus als Krisenprävention verstanden werden. Der Verteidigungshaushalt soll nach den Plänen der alten Regierung 2018 um 1,6 Milliarden auf 38,5 Milliarden Euro angehoben werden und bis 2021 auf 42,4 Milliarden. Der Etat des Entwicklungsministeriums soll im nächsten Jahr auf 8,7 Milliarden Euro steigen. Damit würde die Bundesregierung hier die international vorgegebene Marke von 0,7 Prozent vom BIP erreichen.

Gerne wird bei einem Kassensturz auch ein Blick auf die Sozialausgaben des Bundes geworfen. Diese machen den Plänen zufolge 2018 rund 173,8 Milliarden Euro aus, fast 52 Prozent der Gesamtausgaben des Bundes. Die wichtigste Sozialleistung ist der Zuschuss des Bundes an die gesetzliche Rentenversicherung, der von 2018 bis 2021 von fast 94 Milliarden auf gut 103 Milliarden Euro steigen soll.

Doch alle gesetzlichen Änderungen, denen der Bundesrat zustimmen muss, müssen wieder an der SPD vorbei. Die hat nämlich mit ihren Regierungsbeteiligungen in den Ländern die Möglichkeit, Zustimmungsgesetze der Bundesregierung im Bundesrat zu blockieren.

Soll das Tafelsilber verkauft werden?

Und jetzt kommt das Tafelsilber ins Spiel. Der Bund ist, Stand Ende 2015, direkt oder indirekt an gut 100 Unternehmen in größerem Umfang beteiligt und in kleinerem Umfang an gut 500 Unternehmen. Da stellt sich den Jamaikanern die Frage, was kann weg? Zuallererst fallen einem da die Anteile an der Telekom, der Post und der Bahn ein. Zudem die in der Finanzkrise zur Stützung gekauften Anteile an der Commerzbank.

Anteile an der Bahn, die zu 100 Prozent dem Bund gehört, sind schwer zu veräußern. Aber die rund 32-prozentige Beteiligung an der Telekom (Bund/KfW) sowie die 21-prozentige Beteiligung an der Post über die staatseigene KfW-Bankengruppe stehen immer mal wieder im Schaufenster. Die lagen schon mal bei 20 Milliarden beziehungsweise bei 7 Milliarden. Aber ob sie bis 2021 verkauft werden können und wie viel Geld sie bringen, ist mehr als ungewiss. Und auch beim Wiederverkauf der Anteile an der Commerzbank muss ein günstiger Zeitpunkt abgewartet werden, will der Staat nicht draufzahlen.

In der langen Nacht vom kommenden Donnerstag auf den Freitag wird abgerechnet. Dann zeigt sich, wer gewonnen und wer verloren hat.

(felt)
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