Jamaika-Sondierungen Grüne stellen Merkels Zeitplan infrage

Berlin · Eigentlich wollen die Jamaika-Unterhändler bis Donnerstagnacht das finale Sondierungspapier vorlegen. Auch Merkel hält bei gutem Willen eine Lösung für möglich. Doch die Öko-Partei hat Zweifel.

Jamaika-Sondierungen: Grüne stellen Angela Merkels Zeitplan infrage
Foto: dpa, kno

Die Grünen wollen sich in den schwierigen Jamaika-Sondierungen von der Union nicht unter Zeitdruck setzen lassen und notfalls Verhandlungen über den jetzigen Fahrplan hinaus führen. Zeitdruck bestehe nur für die CDU von Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer, weil sie ihre Gremien schon an diesem Freitag und Samstag zur Entscheidung einberufen haben. Ohne ausreichende Ergebnisse könnten die Grünen weitere Sitzungen bis zu ihrer Bundesdelegiertenkonferenz am 25. November einfordern, erfuhr unsere Redaktion aus Parteikreisen. Seehofer sagte aber vor einem Treffen der Parteispitzen am Sonntag in Berlin: Die Unterhändler hätten noch fünf Tage Zeit und "keine Stunde länger". In diesen fünf Tagen müsse Klarheit geschaffen werden. "Das heißt: entscheiden", betonte der bayerische Ministerpräsident.

Merkel sagte, jetzt beginne die dritte Etappe der Sondierungen. Die Aufgabe sei nun, Kompromisse zu finden. Auch die Chefs von FDP und die Verhandler der Grünen riefen dazu auf. Nach dem jetzigen Fahrplan soll das alles entscheidende Papier spätestens in der Nacht zum Freitag fertig sein. Am Freitagmorgen um 10 Uhr will der CDU-Bundesvorstand zusammenkommen. Die Parteivorsitzende sagte, bisher seien alle Themen gesammelt und verdichtet und die Meinungsunterschiede festgestellt worden. Sie glaube, dass es in der dritten Runde Lösungsmöglichkeiten gebe: "Es wird ein noch durchaus großes Stück Arbeit. Aber aus meiner Sicht kann bei gutem Willen auch eine Lösung erzielt werden."

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter warnte Merkel davor, die zentralen Streitpunkte erst in der Nacht zu Freitag aufzurufen. Seine Partei ließe sich nicht mit Zeitdruck überrumpeln. Ähnlich äußerte sich Mit-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Der Grünen-Unterhändler Reinhard Bütikofer sagte unserer Redaktion: "Wir wollen wirklich den Erfolg der Jamaika-Sondierung." Mit den bisherigen Ergebnissen bräuchten die Grünen aber nicht auf ihren Parteitag zu gehen. "Bei Europa gab es zuletzt etwa eine Rückwärtsrolle. Zu viele soziale Punkte sind ungeklärt. Bei Klima, Landwirtschaft, Verkehr, Migration oder Rüstungsexporten fehlen tragfähige Konsense." Die Union sollte nicht pokern und glauben, die Grünen könnten sich mit wenig zufriedengeben. Bütikofer ging aber einen Schritt auf die FDP zu: Soweit die Partei von FDP-Chef Christian Lindner gegen eine Jamaika-Koalition Bedenken habe, weil sie Merkel und den Grünen nicht traue, habe er dafür Verständnis. Er versicherte aber, die Grünen wollten eine verlässliche und inhaltlich starke Regierung für vier Jahre.

Die FDP gilt als misstrauisch gegenüber der Union und der Kanzlerin, weil die Partei nach der schwarz-gelben Koalition im Bund 2013 nicht wieder in den Bundestag kam. Die Grünen, so empfanden es die Liberalen, hätten danach hämisch auf die FDP herabgeschaut. Viele sehen die Grünen ohnehin als traditionelle Gegner der Freien Demokraten.

In den Beratungen im kleinen Spitzenkreis am Sonntagabend sollte dem Vernehmen nach über die Finanzierung von Projekten sowie über die Konfliktpunkte Klimaschutz und Migration gesprochen werden. Am Montag ist vom späten Vormittag bis zum Nachmittag ein Cheftreffen geplant, bei dem je eine Stunde über die strittigen Themen Kommunen, Klima, Bildung, Innenpolitik und Familie gesprochen werden soll, hieß es in Teilnehmerkreisen. Lindner sagte, FDP und Grüne hätten bisher "abgerüstet". Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte: "Ich erwarte, dass jetzt ein Ruck durch die Sondierer geht."

(kd)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort