Sondierungsgespräche Jamaika-Runde verschiebt Streit-Themen

Berlin · Nach der ersten hoffnungsvollen Woche kehrt bei den Jamaika-Unterhändlern Ernüchterung ein. Wie erwartet knirscht es bei den Themen Europa und Flüchtlinge. Beim Klima gibt es eine erste Einigung.

Beim Konfliktthema Energie und Klima haben sich die Jamaika-Unterhändler vorerst nur auf einen Minimalkonsens geeinigt. Nach heftigem Streit zwischen Union und FDP auf der einen und den Grünen auf der anderen Seite über die künftige Klima- und Umweltpolitik vereinbarten die Parteien am Donnerstag in Berlin, die bisherigen deutschen und internationalen Klimaschutzziele 2020, 2030 und 2050 einhalten zu wollen.

Das ist insofern bemerkenswert, als Deutschland sein Ziel derzeit zu verfehlen droht, den Treibhausgas-Ausstoß um 40 Prozent gegenüber dem Stand des Jahres 1990 zu reduzieren. Inwiefern die Grünen-Forderung nach sofortiger Schließung der 20 schmutzigsten Braunkohlekraftwerke in den Verhandlungen berücksichtigt wird, blieb zunächst offen.

Streit um Kraftwerksschließungen

Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, beklagte am späten Abend einen "Zickzackkurs" von Union und FDP. Es sei nicht gelungen, Maßstäbe für eine tragfähige Grundlage für die nächsten vier Jahre zu setzen. FDP-Generalsekretärin Nicola Beer sagte, es fehle gerade beim Thema Umwelt noch das nötige "Baumaterial" für den gemeinsamen Brückenbau. CDU-Generalsekretär Peter Tauber sprach von einer "emotionaleren", aber "sehr bemühten und konstruktiven Atmosphäre".

Diese dritte Sondierungsrunde über eine mögliche Jamaika-Koalition war am Morgen in eine schwierige Phase geraten. Die Grünen beharrten auf einer Trendwende und ihrem Vorstoß zur umgehenden Schließung von Kraftwerken, damit Deutschland sein Klimaziel 2020 überhaupt noch einhalten könne. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte dies zuvor bereits abgelehnt und wurde dabei von der FDP unterstützt.

Laschet sieht grundsätzliche Einigung

Ohne wirksame Zugeständnisse von Union und FDP bei dem für die Grünen zentralen Klima- und Umweltschutzthema wird die Öko-Partei voraussichtlich aber keine Koalition eingehen. Denn das Ergebnis der bis Mitte November dauernden Sondierung wird von einem Parteitag bewertet. Ohne überzeugende Schritte dürfte die Grünen-Spitze kaum den Auftrag für die dann erst entscheidenden Koalitionsverhandlungen bekommen. Und einem Koalitionsvertrag müssten dann noch die 60.000 Grünen-Mitglieder zustimmen.

"Klimaschutz bedeutet Arbeitsplatzsicherung. Wir werden diese schwarz-gelbe NRW-Politik, die dort gerade 20.000 Arbeitsplätze in der Windindustrie vernichtet, auf Bundesebene nicht mitmachen", unterstrich Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer: "Diese Politik der De-Industrialisierung, die Laschet und Lindner in NRW betreiben, darf es im Bund nicht geben."

FDP und Union bestanden darauf, für die von den Grünen geforderte neue Klimapolitik die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und bezahlbare Strompreise zur Bedingung zu machen. Laschet erklärte am Abend: "Wir sind uns einig, dass das Dreieck von Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit von Strom und Klimaschutz die Grundlage einer Koalition sein soll." Er sprach von einem Maßnahmenkatalog etwa mit Wärmedämmerung bei Häusern, Sanierung alter Heizungen und Ausbau der Elektromobilität. Er sei zuversichtlich, dass sich die Parteien darauf verständigen werden, Deutschland als Industrieland zu erhalten.

Keine Annäherung in der Flüchtlingspolitik

Bei der Europapolitik kamen die Parteien eher zusammen, blieben aber in ihren Aussagen noch vage. In einem unserer Redaktion vorliegenden Papier heißt es: "Wir wollen im Geist des Miteinanders mit allen Partnern die EU weiterentwickeln und reformieren. Die deutsch-französische Zusammenarbeit ist für uns von herausgehobener Bedeutung." Das deutet auf ein gemeinsames Bemühen hin, den neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron in seinen — bei der FDP umstrittenen — Reformplänen möglichst breit zu unterstützen.

Auch bei dem neben der Umweltpolitik schwierigsten Themenkomplex Migration und Flüchtlinge kam es am Abend nicht zu einer Annäherung. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer mahnte, es müsse abgebildet werden, was die Bürger bewege. Er pochte auf die Beschlüsse der Union zur Migration, wonach maximal 200.000 Menschen pro Jahr nach Deutschland kommen können sollen. Das lehnen die Grünen ab.

(kd, klik, mar)
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