Sondierungen in Berlin Jamaika-Parteien vereinbaren "schwarze Null" und Soli-Abbau

Berlin · Bei den Jamaika-Gesprächen in Berlin ging es plötzlich ganz schnell: Die Unterhändler von CDU, CSU, FDP und Grünen haben sich darauf geeinigt, künftig keine neuen Schulden zu machen. Der Solidaritätszuschlag soll fallen. Ein Problem könnte die Türkei-Frage werden.

 Jamaika-Verhandlungen am späten Abend in Berlin.

Jamaika-Verhandlungen am späten Abend in Berlin.

Foto: dpa, nie sab

CDU, CSU, FDP und Grüne haben sich auf weitreichende Leitlinien für die Finanzpolitik eines Jamaika-Bündnisses verständigt. Man wolle keine neuen Schulden machen und auch künftig einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen, heißt es in einem Papier, auf das sich alle Seiten am Dienstagabend in stundenlangen Verhandlungen geeinigt hatten. Darin wird unter anderem festgelegt, dass keine neuen Substanzsteuern eingeführt werden sollen. Die von den Grünen noch im Wahlprogramm verlangte Vermögensteuer für Superreiche dürfte damit vom Tisch sein.

Mit diesem Punkt ist möglicherweise auch eine hohe finanzpolitische Hürde für die Union und die FDP bei einer Zusammenarbeit mit den Grünen abgeräumt. CDU/CSU und Liberale hatten sich strikt gegen eine Vermögensteuer ausgesprochen. Die FDP sieht mit der Einigung auf das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts die "Schwarze Null" gewahrt.

Als Vorgabe für eine schwarz-gelb-grüne Steuer- und Finanzpolitik wird in dem Papier neben dem ausgeglichenen Haushalt festgehalten, man sei sich einig, "dass die Schuldenbremse des Grundgesetzes eingehalten werden" müsse. Unter diesen Vorgaben wolle man die bisherige mittelfristige Finanzplanung überprüfen und finanzielle Spielräume gemeinsam ausloten.

Auf Basis dieser Spielräume sollten "Entlastungsmaßnahmen und Investitionsbedarfe bestimmt" werden, schreiben die Verhandler. Den Investitionsbedarf in Deutschland wollen die möglichen Partner in elf Themenbereichen ermitteln und aufeinander abstimmen. Als mögliche Steuerentlastungsvorhaben eines Jamaika-Bündnisse werden folgende Einzelpunkte aufgezählt:

- Die Entlastung von Familien mit Kindern sowie von Beziehern unterer und mittlerer Einkommen. Ein solcher Schritt war von allen Seiten angestrebt worden, besonders aber von CDU, CSU und Grünen.

- Der Abbau des Solidaritätszuschlags - wobei hier kein Zeitrahmen genannt wird. Die Union hatte bisher erklärt, sie wolle den "Soli" ab 2020 schrittweise schnellstmöglich abschaffen. Nach dem Willen der FDP soll der "Soli" schon bis 2019 vom Tisch sein.

- Die Förderung der energetischen Gebäudesanierung. Darunter wird etwa die Modernisierung von Gebäuden verstanden, um den Energieverbrauch zu mindern.

- Die Förderung des Mietwohnungsbaus. So setzt sich die Union bisher dafür ein, beim Erstkauf eines Eigenheims die Grunderwerbsteuer zu erlassen. Die FDP tritt bei der Grunderwerbsteuer für einen Freibetrag für Immobilien von bis zu 500.000 Euro ein.

- Verbesserung der degressiven Steuer-Abschreibung für die Abnutzung von Anlagenkapital (AfA).

- Die Einführung einer steuerlichen Forschungs- und Entwicklungsförderung.

- Der Abbau von Subventionen - insbesondere sollen sie überprüft werden, wenn sie Klimazielen widersprechen.

FDP-Chef Christian Lindner schrieb über das Zwischenergebnis der Sondierungen auf Twitter, daraus könne "eine finanzpolitische Trendwende werden". FDP-Generalsekretärin Nicola Beer stufte das Ergebnis als Erfolg ein. Beer sprach von einem "überraschend guten Gesprächsergebnis" mit Blick auf die Konkretisierung. Insbesondere kleine und mittlere Einkommen müssten entlastet werden. Subventionen sollten gerade dort abgebaut werden, wo sie zu sozialen Verwerfungen führten. Als Beispiel nannte Beer staatliche Unterstützung für Elektroautos, von denen eher Besserverdiener profitierten.

CDU-Generalsekretär Peter Tauber betonte: "Es war ein langer Abend, aber er hat sich gelohnt." CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte, das Finanzen-Papier zeige, dass man sehr konzentriert arbeite.
"Solche Sondierungen sind ja auch kein Wünsch-dir-Was, sondern ein Finden von gemeinsamen Schnittmengen."

Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt gab sich zufrieden. "Das, was wir im Bayernplan aufgeschrieben haben an Entlastungen bei der Einkommenssteuer, bei den Entlastungen der Familie, bei der Abschaffung des Soli, hat sich in einem gemeinsamen Papier wiedergefunden, und von daher sind wir heute zufrieden", sagte er.

Der linke Grünen-Unterhändler Jürgen Trittin sagte, seine Seite sehe in der Verständigung mit Union und FDP kein Bekenntnis zur "Schwarzen Null". "Das steht unter dem Vorbehalt, dass wir eine Finanzplanung bekommen, und dass das finanzierbar ist." Da das Bundesfinanzministerium noch keine Finanzplanung vorgelegt habe, sei nicht klar, ob die Absage an neue Schulden finanzierbar sei.

In den Jamaika-Verhandlungen zur Europapolitik pochte der CSU-Generalsekretär auf den Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. "Wir wollen keinen EU-Beitritt der Türkei und wir werden es auch sehr klar positionieren", sagte Scheuer. So wolle man auch in die nächsten Verhandlungen am Donnerstag gehen. Aus Zeitgründen waren umfassendere Beratungen zum Thema Europa auf diesen Donnerstag vertagt worden.

Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner sagte zum Thema Europa, es gebe einen klaren Dissens bei der Türkei-Frage. Die Grünen "wollen die Beziehungen zur Türkei eingefroren lassen". Einen Abbruch der EU-Beitrittsgespräche halte seine Partei für das falsche Signal.

(oko)
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