Kardinal Marx "Muslime sind zuerst Menschen und dann kommt das Adjektiv"

München · Kardinal Marx hat die Christen in Deutschland dazu aufgerufen, auf die Muslime hierzulande zuzugehen. "Oder umgekehrt, sie auch zu uns einzuladen." Es störe ihn, wenn Ängste geschürt würden, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz.

 Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (Archiv).

Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (Archiv).

Foto: dpa, geb htf

Christen seien verpflichtet, den Weg von Gewaltlosigkeit und Liebe zu gehen, sagte der Münchner Kardinal Reinhard Marx in seiner Karfreitagspredigt. Das gelte auch im Blick auf die Muslime im Land und Nicht-Glaubende. "Denn wir wissen aus unserer eigenen Erfahrung als Christen in Europa und in der Welt: Ohne Freundschaft, ohne Begegnung, ohne Offenheit für den anderen gibt es kein Verstehen, gibt es keine Versöhnung, gibt es keine Gemeinschaft, sondern dann entstehen Misstrauen, Angst und Gewalt."

Der Kardinal regte an, "noch mehr auf unsere Nachbarn, die einer anderen Religion angehören, zuzugehen. Oder umgekehrt, sie auch zu uns einzuladen, so dass Begegnung immer wieder möglich wird." In einem "Focus"-Interview kritisierte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz die Debatte um den Islam in Deutschland. Die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehöre oder nicht, "führe nicht weiter", sagte er. "Da könnte man auch fragen, ob der Atheismus zu Deutschland gehört." Schon der Blick ins Grundgesetz reiche zur Klärung, wo Artikel 4 die Freiheit der Religionsausübung garantiere. "Das ist wirklich Teil unserer Staatsräson."

Ihn störe es, wenn Ängste geschürt und man bei Muslimen nur über ihre Religion rede, sagte Marx weiter. "Sie sind zuerst Menschen und dann kommt das Adjektiv." Einen politischen Islam, der in Deutschland Propaganda für Krieg mache, lehne er ab. Aber man könne etwa auch nicht pauschal sagen, die Mehrheit der türkischen Muslime sei für den Krieg, betonte der Kardinal. Türken, die hier wohnten, hätten das Recht, sich politisch zu organisieren. Ein Staat solle aber nicht die "Religion benutzen".

"Hass und Gewalt sind nichts Normales"

Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, nannte die Debatte, ob der Islam zu Deutschland gehört, für "wenig zielführend" und zu kurz gegriffen. "In Deutschland leben 4,5 Millionen Muslime", sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. "Da ist interreligiöser Dialog nicht Kür, sondern Pflicht. Wir sollten darüber reden, wie wir miteinander umgehen wollen."

Christentum bedeute für ihn Nächstenliebe, Solidarität und Achtung vor jedem Menschen. "Nicht nur der eigenen Hautfarbe, der eigenen Kultur oder eigenen Religion", hob Bedford-Strohm hervor. "Ob Christentum wirklich Grundlage unserer Kultur ist, entscheidet sich daran, ob wir es wirklich ernst nehmen."

Der Vorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland erinnerte in seiner Karfreitagspredigt zudem an das Leid vieler Menschen weltweit. Der bayerische Landesbischof nannte etwa die Christen in vielen Ländern, die "nur wegen ihres Bekenntnisses an Leib und Leben bedroht werden". Bedford-Strohm erwähnte in seiner Predigt in der Münchner St. Matthäuskirche zudem Verfolgte, die sich "in ihren Ländern für die Menschenwürde, für Gerechtigkeit und Freiheit einsetzen".

Der Bischof erinnerte auch an die Menschen, "die vor Gewalt und Krieg flüchten und auf Holz- oder Schlauchbooten ihr Leben riskieren oder verlieren". Aus reiner Liebe habe Gott sich selbst in Jesus Christus geopfert, fügte Bedford-Strohm hinzu. Darum könnten sich Christen nie mit dem Hass in der Welt abfinden: "Hass und Gewalt sind nichts Normales."

(wer)
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