Terrorverdächtiger in Chemnitz IS-Komplize lebte in Willich

Berlin/Viersen · Deutschland ist offenbar nur knapp einem verheerenden islamistischen Anschlag entgangen. Drei Syrer überwältigten den flüchtigen mutmaßlichen Bombenbauer. Eine Spur führt nach NRW.

 Die Niershalle wird seit 2015 als Flüchtlingsunterkunft genutzt.

Die Niershalle wird seit 2015 als Flüchtlingsunterkunft genutzt.

Foto: STADT WILLICH

Der Syrer Khalil A., der seine Chemnitzer Wohnung seinem Landsmann Dschaber A. für den Bau eines Terrorsprengsatzes zur Verfügung gestellt haben soll, hat zuvor monatelang im Kreis Viersen gewohnt. Das wurde nach der Festnahme des Bombenbauers in Leipzig bekannt. Syrer hatten den IS-Terrorverdächtigen überwältigt, gefesselt und der Polizei übergeben.

Der 33-jährige Khalil A. war am 25. November 2015 nach Deutschland eingereist. Er wurde anschließend der Stadt Willich zugewiesen. Dort wurde er am 6. Januar 2016 angemeldet und in der Niershalle untergebracht, die damals als Flüchtlingsunterkunft genutzt wurde. Das Bundesamt für Migration erkannte ihn am 23. Februar als Flüchtling an.

Deshalb erhielt A. am 29. März durch die Ausländerbehörde des Kreises Viersen eine Aufenthaltserlaubnis. Zuvor hatte der Kreis nach eigenen Angaben routinemäßig Sicherheitsanfragen an das Landeskriminalamt, den Militärischen Abschirmdienst, den Bundesnachrichtendienst, das Innenministerium und das Zollkriminalamt gerichtet. Die Anfragen hätten keine Bedenken ergeben. Am 12. Juli meldete sich Khalil A. in Chemnitz an. Damals gab es für Flüchtlinge noch keine Wohnsitzauflage; sie konnten ihren Aufenthaltsort frei wählen.

Die Bundesanwaltschaft wirft Khalil A. vor, dem Hauptbeschuldigten Dschaber A. (22) nicht nur seine Wohnung überlassen, sondern auch "für ihn in Kenntnis seiner Anschlagspläne die notwendigen Stoffe im Internet bestellt zu haben". Am Chemnitzer Hauptbahnhof wurde er am Samstag festgenommen. Wegen des Verdachts der "Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat" erging Haftbefehl gegen ihn.

Nach Erkenntnissen der Fahnder hatte Dschaber A. einen islamistischen Anschlag mit hochexplosivem Sprengstoff in Deutschland konkret vorbereitet. Er habe online recherchiert, wie man Sprengstoffe herstellt. In der Chemnitzer Wohnung fanden sich laut Bundesanwaltschaft 1,5 Kilogramm extrem gefährlichen Sprengstoffs sowie Materialien, mit denen A. eine Sprengstoffweste hätte bauen können. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) verwies auf Bezüge von Dschaber A. zur Terrormiliz Islamischer Staat. Aus Sicherheitskreisen wurde ein Berliner Flughafen als mögliches Ziel genannt.

Am Samstagmorgen war Dschaber A. der Polizei noch entkommen. Der Chef des sächsischen Landeskriminalamts, Jörg Michaelis, erklärte das damit, dass die Polizei ihre Zugriffstaktik gerade von einer Erstürmung der Wohnung auf einen Zugriff außerhalb umgestellt habe, als ein Mann, der der Gesuchte gewesen sein könnte, das Haus verließ. Auf einen Warnschuss habe er nicht reagiert. Bei gezieltem Feuer wären Unbeteiligte gefährdet worden. Eine schnelle Verfolgung sei wegen der 35 Kilogramm schweren Schutzwesten unmöglich gewesen.

Obwohl die Polizei die Bahnhöfe verstärkt kontrollierte, konnte Dschaber A. schon am Nachmittag am Leipziger Hauptbahnhof Landsleute fragen, ob sie ihn bei sich übernachten ließen. Erst als auch auf Arabisch gefahndet wurde, bemerkten sie, welchen Gast sie da aufgenommen hatten. Während ein Syrer eine Wache aufsuchte, hielten zwei weitere den gefesselten A. fest, bis die Polizei eintraf.

Bundeskanzlerin Angela Merkel lobte die Arbeit der Polizei und würdigte den Einsatz der Flüchtlinge. Sie schloss auch weitere Gesetzesverschärfungen nicht aus.

(may-)
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