Streit in der Union Und ewig droht die CSU

Berlin · Auf der Suche nach Druckmitteln in der Flüchtlingspolitik hat Horst Seehofer die uralte Drohung mit der Trennung der Union und einer bundesweiten CSU hervorgeholt. Doch die Risiken für seine eigene Partei überwiegen.

 Horst Seehofer holzt seit Wochen gegen die CDU-Chefin, als sei er in der Opposition.

Horst Seehofer holzt seit Wochen gegen die CDU-Chefin, als sei er in der Opposition.

Foto: dpa, tha fdt lof sja

Es ist passiert: Unter dem Eindruck der jüngsten Wahlergebnisse haben die CSU-Abgeordneten in einer Marathonsitzung in Wildbad Kreuth die Aufkündigung der Fraktionsgemeinschaft mit der CDU beschlossen. Mit 30 Ja- und 18 Neinstimmen fiel der Schritt deutlich aus. Der CSU-Chef begründete dieses spektakuläre Vorgehen damit, durch eine bundesweite Ausdehnung der CSU konservative Wähler für die Union gewinnen zu können, die sich von der aktuellen Regierungspolitik abgewendet haben. Aus der CDU-Zentrale verlautete, dass man nun damit begonnen habe, in München eine Immobilie für eine CDU-Landeszentrale in Bayern zu suchen.

So aktuell diese Schilderung auch klingen mag, sie ist Geschichte. Und sie enthält auch schon den Grund dafür, warum die CSU ihre Trennungs-Entscheidung vom 19. November 1976 schon drei Wochen später wieder einkassierte: Beim Schielen auf die Bundespräsenz hatte sie übersehen, welche Auswirkungen das auf ihr Stammland haben würde. Schon signalisierten nämlich erste prominente CSU-Mitglieder, in die CDU wechseln zu wollen.

Seitdem hat es - abgesehen vom temporären CSU-Verschnitt namens DSU im Osten nach der Wiedervereinigung - keine weiteren Versuche gegeben, die CSU bundesweit als konkurrierende oder ergänzende Partei zur CDU zu positionieren. Die Versuchung ist erneut gewachsen, seit Umfragen im Umfeld der Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt nachwiesen, dass sich zwischen 57 und 72 Prozent der AfD-Wähler vorstellen konnten, stattdessen CSU zu wählen. Wenn sie denn als Alternative zur CDU zur Verfügung stünde.

In der politischen Wahrnehmung ist sie das längst. Seit Angela Merkel die Flüchtlingspolitik der offenen Arme prononcierte, stichelt, holzt und wütet CSU-Chef Horst Seehofer gegen die CDU-Chefin, als stünde die CSU in Opposition zur CDU-Regierung. Auch die Bemühungen von Mittwochnacht, die Chefin der Schwesterpartei zu einem Schwenk ihrer Flüchtlingspolitik zu bringen, blieb erfolglos.

Zuverlässig liefert er Subtext

Die Bayern konnten zwar einen 0:2-Rückstand in einen 4:2-Sieg über Juventus Turin in der Champions League drehen, doch der parallele Schlagabtausch zwischen CSU- und CDU-Spitze im Kanzleramt endete erneut ohne jedes greifbare Ergebnis. Letztlich habe man nur "die unterschiedlichen Standpunkte erläutert", hieß es nach dem Treffen.

Nachdem ein halbes Dutzend Seehofer-Ultimaten an der Kanzlerin abgeprallt sind, bemüht er sich um neue Ansatzpunkte. Wenn er auf die Journalisten-Frage nach einer Unterstützung einer Kandidatur Merkels für eine weitere Amtszeit nur "nächste Frage" antwortet, unterstreicht das seine Suche nach einem anderen Druckmittel.

Einen neuen Wirkungstest unternimmt er nun mit der alten Debatte einer bundesweiten Ausdehnung der CSU. Und zwar mit seehofertypischer Finesse. Im ersten Satz unterstreicht er, wie richtig es weiterhin sei, "wenn wir uns nicht bundesweit ausdehnen". Im zweiten kommt jedoch die Drohung: "Aber niemand kann Ewigkeitsgarantien abgeben." Im Subtext klingt die eindeutige Botschaft mit: Kanzlerin, hör endlich auf uns, sonst ...

CSU spielt hohes Risiko

Dabei hat sich am Grundrisiko nichts geändert. Zwar fühlt es sich verführerisch für die CSU an, das Gespenst einer demokratisch legitimierten Partei rechts von der Union vertreiben zu können, indem die CSU selbst diesen Rechtsausleger jenseits der CDU darstellt und große Teile der AfD-Wähler in die Union zurückholt. Doch die Implikationen sind den CSU-Granden zugleich ebenfalls bewusst. Wenn die CSU im AfD-Stil außerhalb Bayerns auftritt, verengt sie zugleich ihr Profil im Freistaat selbst: Die liberalen und sozialen Kräfte werden heimatlos, streben in eine dann auch in Bayern antretende CDU und stürzen die CSU in ihrem Stammland erst recht in eine existenzielle Krise. Dann nämlich, wenn die hohen Sympathiewerte für die Kanzlerin auch in Bayern dazu führen würden, dass die viel größere Volkspartei CDU an der CSU vorbeizieht und die CSU als Juniorpartner in Koalitionsverhandlungen mit der CDU eintreten müsste.

Schließlich würde eine bundesweit organisierte CSU in jedem einzelnen Wahlkreis den CDU-Kandidaten schwächen und damit dafür sorgen, dass in vielen Regionen die SPD-Konkurrenten das Rennen machen. So liefe eine vermeintliche Stärkung der Union durch getrenntes Marschieren tatsächlich auf eine Schwächung und gemeinsames Geschlagensein hinaus.

Aus diesem Grund bekräftigt auch Unionsvize Hans-Peter Friedrich, die CSU bleibe "eine bayerische Partei mit bundespolitischem Anspruch". Und Seehofer will statt einer bundespolitischen Ausweitung lieber "in die CDU hineinwirken". Genau das ist es aber, was der CDU derzeit zu schaffen macht und den Streit verbreitert. Und gerade Unionsanhänger mögen das nicht. So hatte CDU-Wahlkämpferin Julia Klöckner mit ihrem Flüchtlingsplan "A2" den Versuch unternommen, sich von Merkel Richtung Seehofer zu bewegen. Auch die weitere Distanzierung von Merkel und einen gemeinsamen Auftritt mit Seehofer bekam sie als eine Ursache für ihre Stimmenverluste vorgehalten. Aus der rheinland-pfälzischen CDU kommt nun eine Attacke gegen CDU-Generalsekretär Peter Tauber, mit dem das alles abgesprochen gewesen sei und der im Vorfeld davon gewusst habe. Doch in der Parteizentrale in Berlin heißt es dazu nur: "Dieser Sachverhalt ist schlichtweg falsch."

Seehofer dürfte diesen neuerlichen Streit ignorieren. Jüngste Umfragen sehen zwar auch in Bayern die AfD bei neun Prozent. Doch zugleich die CSU bei beruhigenden 48. Das ist für Seehofer die Hauptsache.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort