Streit um Flüchtlingspolitik Seehofer schaltet in Wahlkampf-Modus

Berlin · Die CSU geht mit neuen, scharfen Forderungen in ein Koalitionsspitzentreffen. Die CDU sieht Gemeinsamkeiten, die SPD "Verrückte".

Horst Seehofer – Merkels mächtiger Gegenspieler im Foto-Porträt
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Horst Seehofer - Merkels mächtiger Gegenspieler

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Foto: dpa/Sven Hoppe

Die CSU lässt es mal wieder scheppern. Einen "heißen Herbst" sagt Generalsekretär Andreas Scheuer bereits für dieses Jahr voraus, obwohl der Bundestag erst 2017 und der bayerische Landtag erst 2018 gewählt wird. Erklärtes Ziel: eine Kurskorrektur der Bundespolitik mit neuen scharfen Ansagen zur Flüchtlingspolitik. CDU-Innenminister Thomas de Maizière hatte seinen Maßnahmenkatalog für mehr Sicherheit unter der Frage zusammengestellt, was er der SPD "zumuten" könne. Anders Seehofer. Er will Sonntag beim Koalitionsgipfel die Zumutung, schaltet bereits auf Wahlkampf-Modus.

Schon bevor CDU und CSU in sechs Fachkonferenzen eine gemeinsame Linie zu finden versuchen, markiert die CSU, was in einem gesonderten "Bayernplan" alles stehen soll. Mit sechs Papieren für die an diesem Freitag beginnende CSU-Klausur in Schloss Schwarzenfeld rammt die Partei vorab Pfosten ein:

  • Zuwanderung Die Leitkultur will die CSU in die Verfassung schreiben. Die Burka und die Nikab sollen, wo immer möglich, verboten werden. Sie seien "die Uniform des Islamismus". Wer straffällig werde, verliere sein Gastrecht, die doppelte Staatsbürgerschaft gehöre abgeschafft, die Obergrenze auf 200.000 Flüchtlinge fixiert und durch ein "Einwanderungsbegrenzungsgesetz" ergänzt. Die Frage, wer rein darf, soll in "Transitzonen" geklärt werden.
  • Sicherheit Für den Anti-Terrorkampf will die CSU die Polizei mit neuen Helmen, Schutzwesten, Waffen und gepanzerten Fahrzeugen ausstatten. Sie will mehr Videoüberwachung, die Bundeswehr im Innern einsetzen und das in der Verfassung verankern. Terroristen sollen ihren deutschen Pass verlieren, Einbrecher für mindestens ein Jahr ins Gefängnis und Gefährder mit elektronischer Fußfessel gesichert werden.
  • Steuern Die CSU will "Spitze der Bewegung für Steuersenkungen und Leistungsgerechtigkeit" sein, stellt Steuersenkungen, Soli-Streichung und eine Reform der Abgeltungssteuer in Aussicht. Zudem fordert sie eine Entlastung um eine Milliarde Euro für Bayern beim Länderfinanzausgleich. Letzteres will Seehofer noch in dieser Wahlperiode durchdrücken und bereits beim Koalitionsgipfel am Sonntag auf die Tagesordnung setzen.
  • Rente Nach Wunsch der CSU sollen Eltern während der Kindererziehung durch einen Bonus bei den Rentenbeiträgen entlastet werden. Die Mütterrente soll abermals erhöht werden, ebenso die Riester-Zulage. Ausländer sollen künftig nur unter strengeren Voraussetzungen als bislang Grundsicherung im Alter erhalten. Weitere Ansagen gelten den deutschen Interessen in der Außenpolitik und einem "Wachstumsplan Bayern Weltspitze". Diese Papiere will nicht nur die CSU-Klausur ab heute beraten, sondern Seehofer am Sonntag bereits auf den Tisch legen, wenn er mit CDU-Chefin Angela Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel die nächsten Entscheidungen bespricht. Neben dem Länderfinanzausgleich bringt er auch Forderungen zur Erbschaftsteuer ("regionalisieren") mit und sieht die Runde, so Scheuer als "Test, wie umsetzungsstark diese Koalition noch ist".

Der Test gilt ausdrücklich nicht nur SPD-Chef Gabriel, dessen "Pirouetten" im Mecklenburg-Vorpommern-Wahlkampf der CSU gehörig auf den Geist gegangen sind. Auch die eigene Schwesterpartei CDU wird aus Bayern einer intensiven Musterung unterzogen. Dabei geben die Bayern vor, sich strikt an die Ergebnisse der Wiederannäherung zwischen CDU und CSU im Sommer in Potsdam zu halten. Dort sei verabredet worden, erst das Inhaltliche und dann erst das Personal zu klären.

Und deshalb bremst Seehofer auch, so oft er auf eine mögliche Kanzlerkandidatur von Angela Merkel angesprochen wird. Ja, die CSU ziert sich sogar, Merkel zum CSU-Parteitag Anfang November einzuladen. "Erst das Inhaltliche", wiederholt Scheuer. Zudem gibt es Gedankenspiele, Seehofer als Spitzenkandidat in Bayern für die Bundestagswahl ins Rennen zu schicken, um in Berlin mitzumischen.

CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn begrüßte die innenpolitischen Forderungen der CSU. "Zu über 90 Prozent gleichen sich die Forderungen von CDU und CSU. Mit gutem Willen lässt sich da eine gemeinsame Basis finden", sagte Spahn unserer Redaktion. Zumal jeder in der CDU und CSU wisse, dass sich eine Situation wie im letzten Herbst nicht wiederholen dürfe. "Die Zahl der neu ankommenden Migranten muss begrenzt werden. Da besteht Einigkeit, und daran arbeiten wir ja auch gemeinsam seit zwölf Monaten", erklärte Spahn. Scheuer sieht inzwischen Anzeichen, dass der Druck auf die Balkanroute wieder deutlich zunehme.

Wie die SPD den neuen Forderungskatalog der Christsozialen empfindet, drückte Parteivize Ralf Stegner, ohne jede koalitions-diplomatische Zurückhaltung aus: "Solche Dinge, die jetzt in dem Papier der CSU stehen, denken sich eigentlich nur Verrückte aus."

(jd, may-, qua)
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