Kleiner Parteitag der CSU Horst Seehofer fährt die Krallen aus

Berlin/Bamberg · CSU-Chef Horst Seehofer wirkte in den ersten Monaten dieses Jahres nicht nur gesundheitlich angegriffen, auch inhaltlich und personell schien seine Durchsetzungskraft zu schwinden. Nun fährt er seine Krallen aus, um zu zeigen, wer nach wie vor der mächtigste Löwe im bayerischen Rudel ist.

 Kräftemessen: Ilse Aigner, Horst Seehofer.

Kräftemessen: Ilse Aigner, Horst Seehofer.

Foto: dpa

Wenn sich die Delegierten an diesem Samstag in Bamberg zum kleinen Parteitag treffen, geht es darum, wichtige thematische Pflöcke einzuschlagen. Seehofers Devise: "2015 muss gesät werden, was wir 2017 ernten wollen." Er will jetzt die thematischen Weichen fürs Wahljahr stellen. Die beim ordentlichen Parteitag im Dezember angesichts von Seehofers fortschreitender Erkältung unvermittelt abgebrochene Antragsberatung wird zu diesem Zweck wiedereröffnet. So kann zum Beispiel die Frauen-Union für kostenlose Verhütungsmittel zugunsten bedürftiger Frauen streiten. Die CSU wird die kleine Heerschau in Bamberg auch nutzen, um sich als Bewahrerin von Recht und Ordnung zu präsentieren und deshalb klare Folgerungen aus den Blockupy-Krawallen von Frankfurt für die innere Sicherheit ableiten.

Mit besonderer Spannung sieht die Partei der Rede Seehofers entgegen: Spricht er die Position der CSU zur Griechenland-Hilfe selbst noch einmal an? Haut er wieder öffentlich auf den Tisch, wie er es bei der jüngsten Vorstandssitzung vertraulich tat? "Ihr oder ich", lautete seine Kampfansage, die sich sein Parteivize Peter Gauweiler anzog, die aber vor allem auf seinen Parteivize Peter Ramsauer gemünzt war. Denn obwohl Seehofer in diversen Telefonschalten und auch höchstpersönlich in der Berliner Landesgruppe für den Schäuble-Kurs geworben und die Parteilinie eindeutig fixiert hatte, stimmten gleich neun CSU-Abgeordnete mit Nein, darunter Gauweiler und Ramsauer.

Besonders geärgert hatte sich Seehofer darüber, dass der von ihm als Verkehrsminister geschasste Ramsauer anschließend nicht nur still seine Gewissensentscheidung bekundet, sondern lautstark bei Kollegen geworben hatte, Seehofers Kurs nicht zu folgen. Von den neun Nein-Sagern sind sechs im Namen der CSU mit wichtigen Funktionen in Landesgruppe, Fraktion und Parlament betraut. Und so sahen einige Beobachter auch Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt als mögliche Zielperson für Seehofers Wut. Doch in der Landesgruppe wird das anders gesehen: Wären Hasselfeldt die Ihren ohne Seehofers Intervention von der Fahne gegangen, säße sie jetzt dick in der Tinte. Doch da Seehofer persönlich die Abgeordneten in der Landesgruppensitzung in die Pflicht genommen hatte, gehe das Abweichlertum nun auch mit ihm nach Hause.

Seehofers Problem ist ohnehin zu einem großen Teil selbst gemacht. Dass gleich zwei stellvertretende Parteichef gegen den Fristaufschub für Griechenland Stimmung machten, ist in der Person von Peter Ramsauer auch dem Umstand zuzuschreiben, dass Seehofer ihn nach den Bundestagswahlen als Bundesminister eiskalt abservierte. Er scheint seitdem auf jede Gelegenheit zu warten, es seinem Chef heimzahlen zu können. Und dass der andere Vize, Peter Gauweiler, kritisch mit Euro und Griechenland-Hilfe umgeht, war von Seehofer einstmals sogar begrüßt worden, da er mit seiner Hilfe im Vorfeld der Europawahlen in der Auseinandersetzung mit der AfD ein größeres Meinungsspektrum abdecken wollte. Es war Seehofers eigene Idee gewesen, Gauweiler in die Parteispitze zu holen.

Die Devise "Ihr oder ich" wird in Bamberg noch keine Durchschlagskraft entwickeln. Ein spektakulärer Showdown auf offener Bühne ist nicht möglich, da beider Kontrahenten Seehofers nicht anreisen. Sie hätten sich schon zu wichtigen anderen Terminwahrnehmungen verpflichtet gehabt, als Seehofer den kleinen Parteitag relativ kurzfristig terminierte, hieß es aus ihren Büros. Doch spätestens im Sommer wird erwartet, dass die personelle Neuaufstellung der CSU für die Zeit bis nach der Bundestagswahl Konturen annimmt. Kaum einer mag noch darauf wetten, dass sowohl Gauweiler als auch Ramsauer nach dem Herbstparteitag noch Seehofers Stellvertreter sind. Möglicherweise werden sogar beide ersetzt — "ihr oder ich". Und da kann sich Seehofer, wenn er es darauf anlegt, auf den Rückhalt in der Partei verlassen.

Viele rechnen damit, dass die im internen Kräftemessen um die Seehofer-Nachfolge schon fast abgeschriebene Wirtschaftsministerin Ilse Aigner als Siegerin aus dem "Ihr-oder-ich"-Manöver hervorgehen wird. Als Bezirkschefin der mitgliederstarken Oberbayern-CSU wird sie nach der Erwartungen in der Partei nahezu automatisch Seehofer-Stellvertreterin, wenn sie es will. Ihre Anhänger haben den Wettstreit mit dem Lager von Finanzminister Markus Söder um die Posten des Regierungs- und Parteichefs längst nicht aufgegeben. Verschnupft ist Seehofer dem Vernehmen nach darüber, dass Söder offenbar ventiliert, ob er bereits 2017 oder 2016 Seehofer nachfolgen könne.

Auffällig ist jedenfalls die Platzierung der Redner beim kleinen Parteitag. Die Konturen der CSU-Inhalte sollen die drei Bundesminister und drei Landesminister schärfen. Als erstes geht Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt ins Rennen. Doch dann folgen nicht die Bundesminister Christian Schmidt und Gerd Müller, sondern auf Platz zwei ist erst einmal Ilse Aigner gesetzt. Das könnte zum Start eines Comebacks als Mit-Favoritin für die Macht in Bayern werden, wenn sie ihre Karten Energiewende und Wirtschaftskraft richtig aufspielt.

(mayn)
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