Horst Seehofer Die Demütigung des Abkanzlers

München · Indem CSU-Chef Horst Seehofer Angela Merkel beim Parteitag abkanzelt, schadet er vor allem sich selbst - und der Union insgesamt.

Parteitag: Kühler Empfang für Angela Merkel bei der CSU
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Kühler Empfang für Angela Merkel bei der CSU

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Foto: afp, CS/dg

"Sturmwarnung!" stand auf einem Schild am Ausgang des Münchner Messegeländes, als die 850 Delegierten nach ihrem CSU-Parteitag das Gelände verließen. Ja, es dürfte stürmisch werden in und um Deutschlands Dauerregierungspartei CSU. Die Führungsfrage stellt sich nun lauter denn je.

In München überzog Seehofer gleich an zwei Fronten. Es reichte ihm nicht, seinen Finanzminister Markus Söder zurückzupfeifen, als dieser mit dem Tweet "Paris ändert alles" die Terrorangriffe als Argument für die Verschärfung der Flüchtlingspolitik zu wenden versuchte. Seehofer kanzelte auch Angela Merkel derart grob ab, dass vielen im Saal für Augenblicke die Luft wegblieb.

Wie ein Schulmädchen maßregelte er die mächtigste Frau neben sich auf der Bühne, sprach im drohenden Ton von Obergrenzen für Flüchtlinge ("wir sehen uns wieder") und bereitete ihr einen kurzen, knappen, kalten Abgang ohne Schlussapplaus und ohne Einladung, doch noch zum Delegiertenabend zu bleiben. "Schönen Heimweg", sagte er nur.

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Foto: afp, cb/vel

Die doppelte Demütigung mag die Delegierten so entsetzt haben, dass sie zu Dutzenden erst gar nicht an der Abstimmung teilnahmen und dann Seehofer auch noch das schlechteste Wiederwahlergebnis von allen bereiteten: der Absturz von 95,3 bei seiner letzten Wahl auf 87,2 Prozent. Den Denkzettel mag Seehofer bald wegstecken. Aber die Reaktion des Parteitages auf den Versuch Seehofers, Söder zu relativieren und auszubremsen, wird aller Voraussicht nach eine immense Wirkung entfalten und kann am Ende sogar dazu beitragen, dass Seehofer Söder als Nachfolger nicht verhindern kann.

Hinzu kommt, dass Seehofer die Gemüter in der CDU gegen sich aufgebracht hat. "Wie Seehofer die Kanzlerin stehen gelassen hat, war vom Stil her nicht in Ordnung. Man kann unterschiedlicher Auffassung sein, aber man sollte sich dabei anders verhalten", sagte der CDU-Politiker Günter Krings, Staatssekretär im Bundesinnenministerium. "Wir freuen uns, dass die Kanzlerin zu unserem Landesparteitag am 4. März kommt. Wir werden Merkel anständig empfangen und auch anständig verabschieden", stichelte der Chef der baden-württembergischen CDU, Thomas Strobl.

Seehofer erweise der Union insgesamt einen Bärendienst, finden viele in der Schwesterpartei CDU. Die Union verliere derzeit in Umfragen Anhänger, und die Ursache dafür könne nicht allein in Merkels liberaler Flüchtlingspolitik liegen. Und mancher in der CDU bemerkt, Seehofer sei über sein maues Wahlergebnis sicher nicht sehr glücklich.

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Horst Seehofer - Merkels mächtiger Gegenspieler

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Foto: dpa/Sven Hoppe

Er sei von ihrer Botschaft in München enttäuscht gewesen, rechtfertigte Seehofer in der "Bild am Sonntag" seinen Umgang mit Merkel. Die CDU-Vorsitzende habe in ihrer Rede "keinen einzigen Satz" zum Anliegen seiner Partei hervorgebracht, die Zahl der Flüchtlinge mit einer Obergrenze zu senken. Aus Seehofers Sicht gab es am Freitag "kein Zeichen der Verständigung, obwohl sie meine Position kennt".

Im Gespräch mit dem Sender n-tv verneinte Seehofer die Frage, ob er angesichts der Kritik an seinem Auftreten im Nachhinein etwas ändern würde. Er könne auch "beim besten Willen nicht auf der Bühne nach ihrer Rede kurz vor Weihnachten ein Märchen der Harmonie und der Konfliktfreiheit praktizieren, das wäre total unehrlich".

Zugleich bemühte er sich darum, den Eindruck eines massiven Konflikts mit der Kanzlerin zu zerstreuen. "Es gibt keinen Bruch zwischen uns", sagte Seehofer der "Bild am Sonntag". "Wir werden trotz mancher unterschiedlicher Position weiter gut zusammenarbeiten."

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Foto: dpa, shp

Möglicherweise hat sich Seehofer von der Option noch nicht verabschiedet, selbst noch einmal anzutreten und nach 2017 in der Partei und 2018 an der Regierung weiter zu machen. Gleichzeitig inszeniert sich Söder immer wieder als zweite Stimme Bayerns. Er nutzt seine Schlüsselposition als Finanzminister mit Geld. Söder verteilt Milliarden in die Regionen Bayerns - und erkauft sich so die Unterstützung von Wahlkreis zu Wahlkreis.

(mar / may-)
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